Orchesterchen: Die Musik als Schutzhülle

Aus Konzerten bei Freunden wurde das „Orchesterchen“. Jetzt widmet sich das Ensemble dem Tango.

Düsseldorf. Als die Schwester des Evangelischen Krankenhauses das glückliche Paar mit dem Säugling im Maxi-Cosi erblickt, laufen ihr die Tränen übers Gesicht. Sie weiß, dass Michael Hornemann sterben wird. Der junge Familienvater und Ehemann ist unheilbar krank und hat nur noch wenige Monate zu leben.

Zurück bleibt eine Frau mit zwei kleinen Kindern, der das Leben auch schon vor diesem tragischen Tag einiges abverlangt hatte. Da war der Verrat eines guten Freundes, die gefährliche Flucht aus der DDR, der schwierige Neuanfang in einer fremden Stadt und da ist 1995 der Tod des geliebten Mannes. Das Alleinsein.

Aber Cornelia Hornemann ist Musikerin, und das ist in diesem Fall deswegen von so immenser Bedeutung, weil sie die Musik gerade nicht als privaten Trostspender nutzt. Die Musik war schon immer da. Durchwirkt gleichmäßig ihr Leben und hat unbemerkt eine Schutzhülle um Hornemann gewebt.

Dass sie zwölf Jahre nach dem Tod ihres Mannes ein kleines Orchester gründet, ist vor diesem Hintergrund ein fast logischer Schritt. Ihr Schwager, der Juwelier Georg Hornemann, hat sie unterstützt, ihr Mut gemacht.

„Ich spiele Saxofon und Querflöte und habe zunächst angefangen, bei einer Freundin im Zooviertel kleine Salonkonzerte mit Musikerkollegen zu geben“, erzählt Cornelia Hornemann. Als die Freundin wegzieht, bleibt ein Ensemble zurück, das seitdem als Orchesterchen in Düsseldorf und Umgebung auftritt. „Ich suche stets ein konkretes Thema, etwa Felix Mendelssohn und seine Schwester, Goethes italienische Reise oder, wie aktuell, geliebte Leidenschaft, Tango Nuevo von Piazzolla“, sagt die 51-Jährige.

Für das Tango-Programm wurden zwei Tänzer engagiert, das Stammensemble des Orchesterchens jedoch, eine rein Düsseldorfer Angelegenheit, setzt sich wie folgt zusammen: Neben Cornelia Hornemann gehören die Literatin und Schauspielerin Evelyn Sökefeld dazu, welche die Texte zur Musik rezitiert, die Brüder Alexander und Michael Brodski (beide Violine), die zunächst das Goethe-Gymnasium besuchten und jetzt Medizin in Düsseldorf beziehungsweise Physik in Aachen studieren sowie Evamarie Mackenbrock, die mit ihren beiden Kindern in Himmelgeist lebt und Cello spielt. Iosif Marder, Pianist und musikalischer Arrangeur, kam erst kürzlich zum Orchesterchen. Er engagiert sich in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, wo er die Brüder Brodski kennen lernte und von deren musikalischen Aktivitäten erfuhr.

Leben kann und will keiner der Künstler von den Auftritten. Dazu sind es zu wenige. „Kleine Ensembles haben es schwer“, sagt Cornelia Hornemann. Zwei bis drei Mal im Jahr spielen sie im evangelischen Paul-Gerhardt-Haus in Heerdt, dazu Benefizkonzerte für das Evangelische Krankenhaus und das Hospiz in Dormagen. „Wir arbeiten vier bis fünf Monate an einem Programm“, sagt Hornemann. „Unsere Konzerte sind musikalische Projekte und so werden sie auch vorbereitet. Musik beschreibt ja etwas und gibt nicht nur Töne wider wie in der Popmusik.“

Nach jedem Konzert werden die Besucher eingeladen, auf ein Glas Wein zu bleiben. „Wenn man nach einem Konzert keine Gelegenheit für ein Gespräch hat, dann kommt einem das Warten an der Haltestelle doch vor, als würde man mit einem Eimer eiskaltem Wasser übergossen“, meint sie. „Und das wollen wir niemandem zumuten.“