Der Maler und das Heinefeld Sonderausstellung zeigt Biografien der Sinti
Düsseldorf · Eine Sonderausstellung zeichnet die Lebensgeschichten der Sinti nach, die Otto Pankok einst in Düsseldorf gemalt hat.
. Wilhelmine Lavontain begegnet Anfang der 1930er Jahre im Heinefeld dem Maler Otto Pankok. Pankok porträtiert das Mädchen, das er unter dessen Romanes-Namen Gaisa kennenlernt. Von Wilhelmine Lavontain, so der amtliche Name Gaisas, weiß er nichts, verfolgt aber den bitteren Weg der jungen Frau und berichtet darüber: Gaisa wird als 17-Jährige im „Zigeunerlager Höherweg“ interniert. 1939, zwei Jahre später, gelingt ihr zunächst die Flucht von Düsseldorf nach Remscheid. Jedoch wird sie im März 1943 erneut festgenommen und ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie überlebt das Lager und kehrt mit ihren beiden Kindern nach Düsseldorf zurück, wo sie 1980 stirbt.
Lebensgeschichten wie die von Wilhelmine Lavontain haben Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, und Astrid Jakobs, seine Stellvertreterin, mit ihrem Team in der neuen Sonderausstellung „Molari im Heinefeld – Die Düsseldorfer Sinti und ihr Maler“ zusammengetragen. Die Schau wird am 18. Oktober eröffnet und rückt die Menschen in den Fokus, die Otto Pankok in der Zeit von 1931 bis 1934 im Heinefeld gemalt hat. Über die eindrucksvollen Holzschnitte, Kohlezeichnungen und Radierungen des Künstlers, der zeitweise sein Atelier in eine Bretterbude auf dem Heinefeld verlegt hat, ist viel gesagt und geschrieben worden. Seine Werke wurden und werden regelmäßig einem breiten Publikum zugänglich gemacht, das sich angesichts der unprätentiösen Darstellung einer Existenz in Armut und Verzweiflung zutiefst berührt fühlt.
An diesem Punkt beginnt die detektivische Arbeit der Mahn- und Gedenkstätte. Die Historiker haben künstlerische Aussagekraft, Interviews mit Sinti, persönliche Berichte Dritter sowie biografische und historische Daten minutiös gesammelt und aus diesem Konglomerat konkrete Biografien herausgearbeitet. „Wir haben uns die banale Frage stellt: Wer sind die Menschen, die Otto Pankok porträtiert hat?“, sagt Fleermann.
Detektivarbeit
in der Gedenkstätte
Aus dem naheliegenden Ansatz entwickelte sich eine komplexe Spurensuche, die bei Pankok ihren Anfang nahm, zum Totenbuch von Auschwitz führte und bis ins Bundesarchiv in Berlin, wo die von den NS-Tätern angelegten Stammbäume der Opfer aufbewahrt werden, reichte. Dort sind neben den Romanes-Namen teilweise auch die amtlichen Namen erwähnt. „Wir kannten zwar einige amtliche Namen“, sagt Hildegard Jakobs, „haben sie aber zunächst nicht ohne Weiteres mit den Romanes-Namen in Verbindung bringen können, also auch nicht mit den Menschen.“ Im Fall von Gaisa half eine Fotografie weiter. Die Aufnahme aus dem Jahr 1932 zeigt Otto Pankok mit Kindern Düsseldorfer Sinti-Familien in der damaligen Kunsthalle, wo seine Gemälde der Jungen und Mädchen ausgestellt wurden. Ein Mädchen steht auf der Fotografie im Vordergrund, es hält seine schmalen Hände knapp über seinem Schoß, die Fingerspitzen berühren sich leicht. Exakt dieselbe Geste findet sich auf Pankoks Gaisa-Porträt. Die Entdeckung durch das Team der Gedenkstätte ist ein maßgebliches Puzzleteilchen auf dem Weg zur Sichtbarmachung der Person und des Lebenswegs von Gaisa.
Manchmal sind die Historiker schon zufrieden, wenn sie den auf Fotografien abgebildeten Menschen ihren Namen zurückgeben können. Eine Aufnahme, die 1932 oder 1933 auf dem Heinefeld entstand, zeigt Eva Pankok, die Tochter von Otto Pankok, und Papelon, einen Jungen aus der Siedlung, den Pankok besonders häufig gemalt hat. Und noch ein drittes Kind, ein Junge, ist zu sehen, über den jedoch zunächst nichts bekannt ist.
Während der Recherchen taucht zuweilen der Name Herteli auf. Bastian Fleermann gelingt es schließlich, das Rätsel zu lüften. Der entscheidende Hinweis kommt von Eva Pankok. Sie spricht in ihren Erinnerungen von dem Foto und äußert ihre Verwunderung darüber, dass „Herteli“ bereits raucht, obwohl er „nur ein Jahr älter war“ als sie. Auf der erwähnten Aufnahme hält der bis dahin unbekannte Junge tatsächlich eine Zigarette zwischen seinen Fingern.
Die aufwändige Spurensuche ist eine schöne und aufschlussreiche Ausstellung gemündet, hat viele Einzelteile in ein eindrucksvolles Ganzes verwandelt. Originalwerke von Otto Pankok hängen neben Texten, die sich aus historisch kompakten Hinweisen, persönlichen Schilderungen des Malers und anderer Zeitzeugen speisen. Dazu kommen Fotografien der Düsseldorfer Sinti-Familien. Viele wurden ermordet, manche haben die NS-Diktatur überlebt und sind nach Düsseldorf zurückgekehrt. „Die Menschen erzählen uns, dass sie immer wieder gefragt werden, warum sie in die Stadt ihrer Heimsuchung zurückkehren“, sagt Bastian Fleermann. „Die Antwort, die sie geben, ist immer dieselbe: Düsseldorf ist unsere Heimat.“