Deutschstunde in der Flüchtlingsklasse
Die WZ hat eine Schulstunde in der Hauptschule in Eller besucht. Fehlende Sprache ist oft nicht das einzige Handicap der Kinder.
Düsseldorf. Sieben Monate ist Farid (17) in Deutschland. Seit einem Bombenanschlag der Taliban sieht er nicht mehr so gut, ein Finger fehlt ihm. Seine Mutter hat ihn irgendwann losgeschickt, Wochen später kam er in Düsseldorf an. Jetzt lernt er in der Hauptschule an der Bernburger Straße Deutsch — und macht seine ersten Schritte als Schüler. In Afghanistan konnte er kaum zur Schule gehen.
Die Hauptschule Eller ist eine von jenen, die Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse aufnehmen. Schnell versuchen die Lehrer den Kindern und Jugendlichen die Sprache beizubringen, damit sie möglichst bald am normalen Unterricht teilnehmen können.
Auch in Düsseldorf ist die Zahl der Flüchtlinge zuletzt stark gestiegen, worauf Schulministerin Sylvia Löhrmann nun reagiert hat, sie kündigt zusätzliches Personal an. Trotzdem fragen sich an den Schulen viele, ob sie das pädagogische Niveau in den Flüchtlingsklassen werden halten können.
Lehrerin Heidemarie Krusekamp arbeitet an der Bernburger Straße seit vielen Jahren mit jungen Flüchtlingen, vier „internationale Klassen“ gibt es dort. Krusekamp leitet die „IK4“, sie spricht von einem „niederschwelligen Angebot“. Hier werden junge Leute beschult, die hohe Hürden überwinden müssen und mussten — weil sie entweder ohne Eltern nach Deutschland kamen, das lateinische Alphabet nicht kennen, durch Gewalterfahrungen traumatisiert sind oder nie eine Schule besucht haben.
Mit maximal 15 Kindern arbeitet die Gruppe, die Fluktuation ist groß. Heute sind die Buchstaben F, H und G an der Reihe. Krusekamp hat Wörter wie Film und Geld an die Tafel geschrieben. Viele der Kinder hätten in den ersten Wochen in Deutschland schon das Alphabet gelernt: „A“, „Be“, „Ce“ und so weiter, sagt sie: „Dadurch bekommen sie aber Probleme, Wörter richtig auszusprechen.“
Während die 15 Jahre alte Zdar aus dem Irak in drei Monaten schon gute Fortschritte gemacht hat, hat ein Junge aus Gabun große Probleme im Unterricht, obwohl er schon seit mehr als einem Jahr in Düsseldorf ist. Darüber was er vorher durchgemacht hat, will die Lehrerin lieber nicht sprechen.
Oft bleiben die Schicksale für lange Zeit im Dunkeln: „Wir machen zwar Aufnahmegespräche, wollen aber nicht zu sehr bohren.“ Manche kämen mit einer Lebenslüge, hätten zum Beispiel immer ein falsches Alter angegeben. Manchmal kämen Geschichten im Unterricht dann unerwartet heraus. „Als wir in Deutsch über Möbel in einer Wohnung gesprochen haben, sagt ein Junge, dass es seine Wohnung nicht mehr gibt.“
Doch es kommen auch Kinder mit anderen Geschichten in Eller an, zum Beispiel von Familien aus Spanien oder Griechenland. Manche seien mit der Entscheidung der Eltern, auszuwandern, nicht einverstanden: „Das merken wir dann auch hier im Unterricht.“