Wahlkampf in Düsseldorf Die Düsseldorfer Kandidaten für Europa – und ihre Chancen
Düsseldorf · Gleich mehrere Top-Kandidaten der Parteien für die Europawahl kommen aus Düsseldorf. Dazu zählen unter anderem Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Thomas Geisel. Doch es gibt noch drei weitere Kandidatinnen – mit ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen.
Die Europawahl am 9. Juni ist dieses Mal aus Düsseldorfer Perspektive von besonderem Interesse. Gleich drei Top-Kandidaten kommen aus der Stadt, und das sind nicht die einzigen interessanten Personalien. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Thomas Geisel treffen im Wahlkampf sogar zwei frühere Kontrahenten für das Amt des Oberbürgermeisters aufeinander. Wer die weiteren Kandidaten sind und welche Chancen sie jeweils haben.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Listenplatz 1 Von der „Silberrückin“ zur „Oma Courage“ oder „Eurofighterin“: Schon als Kandidatin für Wahl zur Oberbürgermeisterin in Düsseldorf vor vier Jahren schaffte es die 66-Jährige, sich markenartig, provokant und auch selbstironisch in Szene zu setzen. Das ist nach der jetzt präsentierten Kampagne für die Eurowahl nicht anders. Die Aufmerksamkeit ist der dreifachen Großmutter somit bereits gewiss. Doch ihre politischen Gegner holen bereits auch zu diffamierenden Attacken aus. Die Düsseldorfer Europaabgeordnete der Linken Özlem Alev Demirel schrieb bei X, ehemals Twitter: „Heute würde Bertolt Brecht sein Stück wohl „Kriegs-Marie und die toten Kinder“ nennen.
Strack-Zimmermann wird wohl sogar Spitzenkandidatin der 13 Parteien der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE). Die FDP schickt eben eine ihrer populärsten Persönlichkeiten. Und das könnte eine Rolle in aktuellen Umfragen zur Europawahl spielen. Bei Insa kam die Partei nach drei Prozent im Februar auf sechs im März. Das heißt: Strack-Zimmermann wird ins Parlament einziehen. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es nicht, grob eingeordnet reicht ein Prozent für einen Sitz. Als Spitzenkandidatin würden Strack-Zimmermann also auch drei Prozent für die FDP locker reichen.
Thomas Geisel (Bündnis Sahra Wagenknecht), Listenplatz 2 Der ehemalige Oberbürgermeister hatte Anfang des Jahres mit seinem Austritt aus der SPD und dem Wechsel zur Wagenknecht-Partei für Schlagzeilen gesorgt. Ein Grund dafür waren Geisels Position zum Krieg in der Ukraine. Vor wenigen Tagen veröffentlichte Geisel einen Beitrag mit dem neuen Parteikollegen Stefan Grüll (vormals FDP), wonach der Krieg unverzüglich auf dem Verhandlungswege beendet werden müsse. Das dürfe nicht ausgeschlossen werden, „bis Russland besiegt ist oder die Ukraine in Verhandlungen einwilligt“. Geisel und Grüll kommen zum Schluss: „Ein belastbarer Frieden kann nur erreicht werden, wenn Russland Teil eines Systems gemeinsamer Sicherheit ist.“ So weit Strack-Zimmermann und Geisel auch bereits in Düsseldorf in vielen Punkten auseinanderlagen – heute liegen sie sich sogar diametral entgegen. Aufeinandertreffen werden sie künftig in Brüssel: Denn auch der 60-Jährige hat seinen Sitz mit Platz zwei auf der Liste seiner Partei quasi sicher, zumal laut Insa-Umfragen zuletzt 5,5 Prozent der Stimmen auf die Wagenknecht-Partei vielen.
Özlem Alev Demirel (Die Linke), Listenplatz 3 Demirel (40) ist die einzige Kandidatin aus Düsseldorf, die Mitglied des Europaparlaments ist, und zwar seit 2019. Seitdem ruht auch ihr Job als Gewerkschaftssekretärin bei Verdi. Ihre Chancen auf einen Wiedereinzug stehen ganz gut, aber zittern muss sie. Rund drei Prozent bräuchte die Linke, 4,5 Prozent waren es in letzten Umfragen (Insa) zur Europawahl, bei Sonntagsfragen zu einer Bundestagswahl aber wiederholt nur rund drei Prozent. Bei der letzten Wahl war die Ausgangsposition auf Listenplatz zwei hinter Martin Schirdewan noch besser, jetzt liegt Seenotretterin Carola Rackete dazwischen.
Die seit über zehn Jahren in Düsseldorf lebende, verheiratete Mutter von zwei Kindern tritt in ihrer Heimatstadt zuletzt vor allem als Kritikerin von Waffenlieferungen in der Ukraine auf, etwa als Rednerin bei einer Demo des „Düsseldorfer Appells gegen Hochrüstung und Krieg“. Am Samstag wird sie im Zakk unter anderem mit Thomas Geisel über das Thema „Eigene Atombomben oder Atomwaffenverbot – wohin steuert die EU?“ diskutieren. Ihre Meinung dürfte klar sein, da sie die EU bereits jetzt als auf dem Weg zu einer „Militärunion“ kritisiert und der Nato stets eigene geopolitische Interessen im Ukraine-Krieg unterstellt.
Miriam Viehmann (CDU), Listenplatz 7 in NRW Von allen Düsseldorfer Kandidaten würde der Einzug ins Europäische Parlament für die 33-Jährige den größten politischen Karrieresprung bedeuten. Viehmann ist Mitglied der internationalen Kommission auf Bundesebene der Jungen Union. Ihre politische Aktivität begann 2007, als sie Teil des ersten Düsseldorfer Jugendrates war, erst einige Jahre später wurde sie CDU-Mitglied.
Derzeit arbeitet Viehmann als Referentin im Büro von Oberbürgermeister Stephan Keller. Zuvor war sie als Lehrerin vor allem für Deutsch als Fremdsprache tätig. Und aus dieser Arbeit leitet sie auch ihr wichtigstes Thema Migrationspolitik ab. „Wir haben damals gesagt: Wir schaffen das! Wir müssen uns aber heute eingestehen, wir schaffen das nicht.“ Daher müsse die „unkontrollierte irreguläre Migration“ beendet werden. „Wir müssen die humanitäre Migration auf das Maß beschränken, welches weder die Integrationsfähigkeit Deutschlands noch der EU überfordert“, heißt es im Zitat auf ihrer Internetseite zum Wahlkampf.
Die Chancen für Viehmann stehen übrigens ungefähr 50:50, wie sie selber sagt. Die Spitzenkandidatin des Bezirksverbands Bergisches Land (der Kreisverband Düsseldorf ist Teil davon) liegt auf Platz sieben der bei der CDU ausschlaggebenden Landesliste. Ungefähr 32 Prozent müsste die Partei in NRW wohl erreichen. Bei bundesweiten Insa-Umfragen zur Europawahl waren es zuletzt 28,5, zur Bundestagswahl 31 Prozent. In NRW liegt die CDU da meist einige Prozentpunkte drüber.
Sabrina Proschmann (SPD), Listenplatz 31 Keine Hoffnungen macht sich dagegen die Co-Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion. 31 Prozent für die SPD bundesweit bei der Europawahl liegen derzeit tatsächlich in unerreichbarer Ferne (16 Prozent waren es zuletzt bei Insa zur Europawahl). Interessant ist dennoch, dass sich Proschmann neben der kommunalen Ebene vor allem für die europäische Politik interessiert, und so in Zukunft ein politischer Entwicklungsschritt hin zur Profi-Politikerin folgen könnte, und weg von der ehrenamtlichen Kommunalpolitik. „Ich bin über Europa politisiert worden“, sagt die 31-Jährige, vom Studium in Frankreich oder dem Job in London. Angesichts des Erstarkens von rechtsextremen Parteien erwartet Proschmann eine Richtungswahl. Sie stehe für ein solidarisches Europa, „das sich Spaltung, Hass und Hetze bestimmt entgegenstellt“.