Düsseldorf-Oberbilk „Die meisten Kunden zahlen fair“

Im kleinen Laden „Booxycle“ darf man selbst entscheiden, wie viel Geld man für ein Buch aus zweiter Hand ausgibt.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Dass jemand das Rausbringen von Müll als „Schlüsselereignis“ bezeichnet, ist ziemlich ungewöhnlich. Bei Marcus Müller ist das aber der Fall. Vor sechs Jahren beobachtet er beim Wegwerfen von Altpapier zufällig einen Mann, der tonnenweise Bücher in den Papiercontainer befördert. Müller geht dazwischen, bekommt die guterhaltenen Schmöker — und hat gleichzeitig eine Geschäftsidee, die er schon wenig später in die Tat umsetzt.

In Flingern richtet er unterhalb des Schreibwarenladens eines Bekannten einen „Bücherkeller“ ein. Seine Kunden können Schmöker, die sie nicht mehr brauchen, abgeben — oder durch das Angebot stöbern. „Als mein Bekannter den Laden vor drei Jahren zumachen musste, war mir schnell klar, dass ich die Büchergeschichte fortsetzen will“, erinnert sich der gebürtige Dormagener.

Er bezieht ein neues Ladenlokal an der Kölner Straße in Oberbilk, hinter dem Hauptbahnhof. Tausende Bücher stapeln sich hier auf rund 30 Quadratmetern, „im Lager habe ich nochmal etwa die gleiche Menge, unter anderem eine Riesensammlung philosophischer Bücher, die ich von einem Richter übernommen habe“, sagt Marcus Müller. „Deshalb kann ich derzeit auch nur kleinere Mengen an Büchern entgegennehmen.“ Was auffällt: Trotz des geringen Platzes sind die Schmöker übersichtlich sortiert, der Inhaber wird von einer Aushilfe unterstützt, die auch im angrenzenden Schreibwarenbereich mit anpackt. „Und durch die Fenster kommt endlich Tageslicht rein, nicht wie in Flingern.“

Nicht nur mengenmäßig, sondern auch thematisch ist die Auswahl breit gefächert — aktuelle Krimis von Elisabeth George oder Dan Brown sind genauso zu finden wie antiquarische Schätzchen von Heinrich Heine. Das älteste Buch stammt laut Müller aus dem Jahr 1822. „Viele geben bei mir Bücher von kürzlich verstorbenen Verwandten ab.“

Mit dem Umzug nach Oberbilk etabliert Marcus Müller auch ein neues, besonderes Bezahlsystem: Wie viel jemand für ein Buch bezahlen will, entscheidet jeder selbst. „Etwa die Hälfte der Leute fragen mich trotzdem, wie viel ich ungefähr erwarte.“ Anders als in Deutschland ist die „Zahl was du willst“-Methode in Amerika vor allem in Restaurants bereits etabliert. „Die Leute zahlen dort insgesamt weniger, aber es kommen auch mehr Gäste, sodass es sich doch wieder rentiert.“ Auch Marcus Müller ist mit dem Preismodell zufrieden: „Die allermeisten zahlen fair.“

Geschäftsleute, die im nahegelegenen Hotel nächtigen, kämen genauso wie Menschen aus schwierigen Verhältnissen, für die es in der Nähe mehrere Anlaufstellen gibt. Bei ihnen wie auch bei Kindern sei er besonders kulant, „weil mir die Leseförderung am Herzen liegt. Wenn da jemand nur mit ein paar Cent in der Tasche kommt, kriegt er das Buch trotzdem.“