Die Welt der Tomaten: Vergessene Sorten kehren zurück

Mehr als 1000 Besucher kommen zum Saatgutfestival.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Tomaten sind rot, meistens kugelrund und wachsen an grünen Rispen — über diese einfache Definition der beliebten Frucht, die fälschlicherweise oft als Gemüse bezeichnet wird, kann Melanie Grabner nur schmunzeln. Denn die wenigen Tomatensorten, die gängigerweise im Supermarkt verkauft werden und diesem Bild entsprechen, sind nur einige von über 500, die die Staudengärtnermeisterin bereits zu Gesicht bekommen hat.

Als eine von rund 15 Ausstellern informierte sie auf dem Saatgutfestival im Geschwister-Scholl-Gymnasium am Samstag über die Vielfalt der Nutzpflanzsorten, die bei vielen längst in Vergessenheit geraten sind. „Ich sehe mich selbst als Vielfaltshüterin.“ Der Kulturschatz, den diese vielen unterschiedlichen Sorten bieten, dürfe nicht durch industrialisierten Anbau verloren gehen, erklärt sie.

Mit dem Verkauf von Saatgut, Tipps zum Anbau und Informationsvorträgen über den Pflanzenschutz lockte das Fest über 1000 Besucher. Ein Andrang, mit dem Grabner nicht gerechnet hat, im Minutentakt gab sie kleine Tütchen mit Pflanzensamen weiter. Das angebotene Saatgut ist dabei frei von geistigen Eigentumsrechten und lässt sich weitervermehren, ohne seine Eigenschaften zu verlieren.

Für Besucherin Annemarie Weingarten ein tolles Angebot: „Ich habe hier neue Samen für eine Spinatsorte ertauscht. Anders als die herkömmlichen Handelssorten ist sie samenfest, das heißt, ich kann sie wieder und wieder anpflanzen und bekomme immer mehr neue Samen.“ Bio-Qualität und eigener Anbau sind der Rentnerin wichtig, die Transparenz der Produktherkunft fehle ihr bei vielen Anbietern.

Über die Vorteile einer vielfältigen Obst-, Gemüse- und Kräuterlandschaft konnten sich interessierte Besucher auch am Stand des organisierenden Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, kurz VEN, von Dorothea Wamper und ihren Kollegen überzeugen lassen. Die engagierte Unterbacherin spricht sich gegen genmanipulierte Pflanzen und den damit verbundenen Schwund natürlicher Vorkommen aus.

Als sie vor 30 Jahren bemerkten, dass die Vielfalt der ursprünglich in breiten Variationen vorkommenden Pastinake auf drastische Weise verringert war, entstand der Verein: „Der genetische Reichtum ist wichtiger als man denkt. Auch wenn manipulierte Pflanzen auf den ersten Blick resistenter sind, wirken sie einer Entwicklung entgegen, die seit Beginn der Geschichte den Menschen begleitet.“

Die Aufklärung und das Verbreiten des Wissens über den Anbau an die nachfolgenden Generationen seien ihr besonders wichtig. Eigenem Anbau in der Stadt stehe übrigens nichts im Weg: Balkongärten und Urban Gardening-Projekte, wie die des Vereins düsselgrün, seien stark im Kommen.