Trauerarbeit in Düsseldorf Können auch Kinder sterben?
Düsseldorf · Seit mehreren Jahren klären die Erzieherinnen der Kindertagesstätte St. Maria Königin Vorschulkinder über die Themen Tod und Sterben auf. Zum Projekt gehören auch Ausflüge zum Friedhof und zu einem Bestatter.
Dieser Satz erscheint zunächst befremdlich – vor allem, wenn er aus dem Mund eines Kindes stammt: „Wir durften einen Sarg bauen“, sagt Timo stolz. Der Sechsjährige gehört zu den Vorschulkindern der Kindertagesstätte St. Maria Königin in Lichtenbroich. Die katholische Kita hat in diesem Jahr erneut ein Projekt zum Thema „Abschied nehmen“ gemacht. Dabei besuchten die Kinder mit den Erzieherinnen unter anderem das Bestattungsunternehmen von Friedrich Neuhaus und bauten an einem Sarg mit. Dabei erfuhren die Jungen und Mädchen auch etwas über die verschiedenen Bestattungsrituale.
Das Projekt „Abschied nehmen“ wurde bereits 2004 ins Leben gerufen, um Kindern den Tod verständlich zu erklären. „Sterben ist ein Tabuthema für Kinder und Eltern“, sagt Ursula Wiedenmann, eine von drei Erzieherinnen, die das Projekt betreuen. Die Kinder lernen in dem Projekt unter anderem etwas über ihre Gefühle und wie sie damit umgehen können. „Wir können kein Kind vor dem Schmerz durch einen Verlust bewahren“, sagt die Erzieherin. „Aber wir können ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um damit umzugehen.“
Ihre Kollegin Stefanie Kaczich erklärt, dass die Eltern ihre Kinder häufig vor dem Thema Tod schützen möchten. Deshalb findet vor dem Projektbeginn ein Informationstag für Eltern statt, um ihnen mögliche Bedenken zu nehmen. Die Teilnahme am Projekt, bei dem sich die Vorschulkinder drei Monate lang zweimal in der Woche mit dem Thema Sterben beschäftigen, ist zudem freiwillig.
Mit Bilderbuchgeschichten wie beispielsweise „Lebe wohl, lieber Dachs“ – darin stirbt ein alter Dachs und verabschiedet sich vorher von seinen Tierfreunden – wird das Thema Sterben kindgerecht aufbereitet. „Alle haben sich erinnert, was der Dachs ihnen beigebracht hat“, erklärt die sechsjährige Nevia. Die Kinder lernen, ihre Gefühle zu benennen und dass man auch nach dem Tod nie ganz aus dem Leben der Mitmenschen verschwindet. So sagt Timo: „Der Dachs war in den Herzen seiner Freunde.“
Um einen leichteren Zugang zu den eigenen Gefühlen und Gedanken zu bekommen, haben die Kinder auch einiges gebastelt und gemalt. Um beispielsweise den Zusammenhang zwischen Körper und Seele besser zu verstehen, wurden die Seelenschubladen aus einem Kinderbuch nachgebastelt. Diese Schubladen stehen für verschiedene Emotionen und die Kinder füllten die Schublade mit Sachen, die ihnen am Herzen liegen.
Außerdem besuchten die Fünf- und Sechsjährigen neben dem Bestatter Neuhaus auch den Nordfriedhof. Dort wollten sie unter anderem wissen, ob auch Kinder sterben können. Der Friedhofsleiter Stefan Süß zeigte ihnen deshalb die Kindergräber. „Die waren klein, viereckig und hatten ganz viele Sachen, etwa Windräder, darauf stehen“, erzählt Nevia. Süß zeigte den Kindern aber auch die Bienenstöcke und den Fuchsbau auf dem Friedhof und erklärte, dass es dort nicht nur Tod, sondern auch viel Leben gibt.
Ursula Wiedenmann erläuterte den Kindern, dass jeder eine andere Vorstellung habe, was nach dem Tod passiert und es dabei kein richtig oder falsch gebe. „Es kann euch keiner sagen, was passiert, weil wir zum Glück noch alle leben“, erklärte Wiedenmann. Über ihr Vorgehen sagt die Erzieherin: „Wir arbeiten ergebnisoffen und lassen allen Kindern ihre eigene Vorstellung. Wir sind ein katholischer Kindergarten, wollen aber auch andere Religionen einbeziehen.“
Die Ausflüge kamen bei den Kindern besonders gut an. Und obwohl Sterben ein schweres Thema sei, gingen die Kinder da ganz unbefangen ran, sagt Stefanie Kaczich. „Es sind Kinder dabei, die sonst in sich gekehrt sind, aber während der Projektarbeit aufblühten.“ Gerade Kinder, die sonst sehr wenig Emotionen zeigten, würden im Projekt erfahren, dass es in Ordnung sei, alles zu zeigen, erklärt Wiedenmann. Kinder benötigten Ehrlichkeit, um mit Gefühlen wie Trauer umzugehen.
Ihre Kollegin Stefanie Stein bestätigt das und appelliert an alle: „Das Thema sollte in der Gesellschaft nicht totgeschwiegen werden.“ Deshalb würde sich das Team freuen, wenn das Projekt auch andere Kindertagesstätten und Grundschulen inspirieren würde.