Zwei Jahre nach der Flut in Düsseldorf Wie man sich bei Starkregen vor Wasser im Keller schützt

Düsseldorf · Das Team von Stephan Terhorst vom Stadtentwässerungsbetrieb bietet Beratungen vor Ort an.

Das Beraterteam des Stadtentwässerungsbetriebes mit Philipp Schäfer (v.l.), Duygu Sentürk und Natalia Malinovskaya (mit einem Anschauungsgerät einer Regenrückstauklappe für fäkalienhaltiges Abwasser) und Sachgebietsleiter Stephan Terhorst.

Foto: Döring, Olaf (od)

Schon seit 23 Jahren befasst sich der Stadtentwässerungsbetrieb mit dem Thema Starkregen.  Von Starkregen spricht man ab 25 Liter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde. Doch erst seit den nicht enden wollenden Regengüssen im Juli vor zwei Jahren ist das Problem im Bewusstsein vieler Düsseldorfer angekommen. In mehreren Stadtteilen verließen damals Flüsse und Bäche ihr Bett, und auch die Kanalisation war an diversen Stellen den Wassermengen nicht mehr gewachsen. Hunderte Keller liefen voll, ein Mensch kam in Vennhausen ums Leben. Und dieses Ereignis hat Nachwirkungen, die das Sachgebiet von Stephan Terhorst zu spüren bekommt, das sich beim Stadtentwässerungsbetrieb um das Thema kümmert und Interessierte darüber informiert, wie diese sich und ihr Hab und Gut schützen können.

Herr Terhorst, den Menschen sagt man ja nach, dass sie vergesslich sind. Jetzt haben wir zwei Jahre nach der großen Flut. Bemerken Sie ein Abflauen der Nachfrage?

Stephan Terhorst: Das kann man nicht sagen. Bei uns gehen täglich Anfragen für einen Beratungstermin ein. Wir werben aber auch für unser Angebot und bauen unser Netzwerk aus. Unsere aktuell effektivste Werbung besteht in Aufklärung zum Schutz vor Kellerüberflutung mit dem Gebührenbescheid zur Abwassergebühr.

Gibt es denn Wartezeiten?

Terhorst: Aktuell haben wir eine Wartezeit von vier Wochen für einen Vor-Ort-Termin. Kurz nach dem Starkregenereignis vor zwei Jahren waren wir sogar bei einer Wartezeit von mehreren Monaten. In den ersten beiden Jahren unseres Beratungsangebotes hatten wir insgesamt 50 Beratungen. Seit Sommer 2021 sind es 1500.

Eine stolze Zahl. Müssen die Bürger für diesen Service zahlen?

Terhorst: Nein, der ist kostenfrei. Unser Team schaut vorher in die Bauakte der betreffenden Immobilie, um zu wissen, wie die Voraussetzungen vor Ort sind. Nach einer Sichtkontrolle, die zwischen einer und anderthalb Stunden dauert, geben wir dann Handlungsempfehlungen. Wir füllen vor Ort mit dem Mieter oder Eigentümer eine Checkliste aus. Dabei geht es zum Beispiel darum, ob Rückstauklappen in der Entwässerungsanlage des Gebäudes vorhanden sind. Diese halten durch Verschließen passiv das Wasser vom Zurücklaufen ins Haus ab. Die Klappen sollten aber dringend jedes halbe Jahr kontrolliert werden.

Warum das?

Terhorst: Wenn es an dieser etwa Rattenfraß gibt, hat der Hauseigentümer trotzdem plötzlich Wasser im Keller. Eine bessere Alternative sind da Pumpen. Jedem muss klar sein, dass auch er in der Pflicht ist, sich und sein Haus vor eindringendem Wasser zu schützen.

Was genau gilt es als Hauseigentümer zu beachten?

Terhorst: In den Hausanschlusskanal dürfen keine Rückstauklappen eingebaut werden. Diese Formulierung suggeriert häufig den Einbau an falscher Stelle, was keinen ausreichenden Schutz bietet. Deshalb machen wir auch die Beratung vor Ort, um die Bürger vor Fehlern zu schützen.

Was hat denn das Starkregen-Ereignis von Juli 2021 von denen in den Jahren zuvor unterschieden?

Terhorst: Zuvor waren diese meist sehr kleinräumig. Nehmen wir das Werstener Düsseldörfchen: Am 1. Juni 2016 ging dort ein besonders heftiger Starkregen nieder. Innerhalb von einer Stunde fielen 85 Liter Regen pro Quadratmeter. Viele Keller standen dort unter Wasser. Oder 2014: Da war in Kaiserswerth Land unter und in Eller schien die Sonne. Vor zwei Jahren waren gleichzeitig stadtweit viele Bereiche betroffen. Vor allem aber von Gerresheim und Vennhausen in Richtung Stadtsüden. Die einen hatten Wasser etwa von der Düssel oder der Itter im Haus, die anderen Grund- oder Niederschlagswasser, das aufzunehmen die Kanäle nicht schafften und die dafür auch nicht ausgelegt sind.

Wenn es aber doch immer mehr Starkregenereignisse gibt und die Kanäle die Menge an Wasser nicht aufnehmen können, würde das doch eigentlich bedeuten, dass diese unterdimensioniert sind. Wie sieht denn unser Kanalsystem aus?

Terhorst: Wir haben in Düsseldorf zumeist Mischkanäle – auf einer Länge von rund 1500 Kilometern – in das alle Abwässer, Schmutz- und Regenwasser außer Fremdwasser eingeleitet werden.

Warum haben wir fast nur Mischwasserkanäle?

Terhorst: Dieses System basiert, ausgehend vom Stadtzentrum aus, auf den ersten Kanälen, die dort 1874 angelegt wurden. 99 Pumpstationen sorgen heute über das Stadtgebiet verteilt dafür, dass es zum Transport des Abwassers genügend Gefälle gibt. Der Stadtentwässerungsbetrieb unterhält in Düsseldorf zwei Klärwerke, im Süden der Stadt und auf Meerbuscher Stadtgebiet für den Düsseldorfer Norden und die linksrheinischen Stadtteile.

Aber wäre eigentlich in Zeiten der Wasserknappheit ein Trennsystem, also ein getrenntes Leitungs- und Kanalsystem für die Ableitung von Schmutz- und Regenwasser, nicht besser? Letzteres müsste ja zumeist nicht geklärt werden und könnte so entweder vor Ort versickern oder in ein Gewässer geleitet werden.

Terhorst: Wir können ja nicht mal eben unser gesamtes Kanalsystem umbauen. In Außenbereichen wie Wittlaer, Angermund und Hellerhof haben wir tatsächlich solch ein Trennsystem. Mischwasserrohre dürfen keinen so großen Durchmesser haben, dass sie bei zu wenig Wasser trocken fallen. Dann bleiben nämlich Feststoffe liegen und das würde schnell anfangen zu stinken. Wenn dann im anderen Fall ein Starkregenereignis wie 2021 kommt, müsste ein Kanal den Durchmesser von fast schon einer U-Bahn-Röhre haben – damit man sich mal laienhaft ein Bild machen kann. Diese Umbau-Kosten könnte niemand stemmen; und auch der Platz wäre dafür im Untergrund nicht vorhanden. Und außerdem muss das Regenwasser ja auch erstmal im Kanal landen und dafür durch die Nadelöhre wie Gullys und Abflüsse fließen.

Wie bemisst sich denn Starkregen überhaupt?

Terhorst: Auf einer Skala von eins bis zwölf, ähnlich wie bei Erdbeben. Starkregen bis zum Starkregenindex drei wird von der Kanalisation aufgenommen, ab vier kann es zu einem Überstau auf der Straße und noch höher zu Überflutungen kommen. Mit der Höhe des Starkregenindex’ steigt die Rolle des privaten Objektschutzes. Um Ihre Frage vorwegzunehmen, vor zwei Jahren waren wir beim Starkregenindex elf.

Wie kann ich als Bürger sehen, ob ich in einer Gefahrenzone lebe?

Terhorst: Dafür wurde die Starkregengefahrenkarte entwickelt, auf der jeder Interessierte adressen-genau nachschauen kann. Man findet sie auf unserer Internetseite. Wir raten jedem Düsseldorfer, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es kann echt jeden treffen. Und die Schäden können immens sein.

Haben Sie noch ein paar einfache Tipps, die jeder berücksichtigen kann?

Terhorst: Man sollte wichtige Unterlagen und Papiere nie im Keller aufbewahren. Und es empfiehlt sich, Elektrogeräte im Keller immer etwas erhöht aufzustellen. Zudem sollte man wirklich niemals in einen vollgelaufenen Keller gehen. Das Wasser könnte die Tür zudrücken, so dass man plötzlich in der Falle sitzt. Und man kann bei einem gefluteten Keller einen tödlichen Stromschlag erleiden.

Wo waren Sie im Juli 2021?

Terhorst: Im Urlaub am Königsee. Dort gab es zwar auch ein Unwetter, aber mit anderen Konsequenzen als in Düsseldorf. Aber dort wurde beispielsweise die Kunsteisbahn für Bob und Rodelsport zerstört und ist seitdem nicht mehr nutzbar.