150 Jahre Tierschutz “Im Mittelpunkt steht das Wohl der Tiere“

Düsseldorf · Das Tierheim in Düsseldorf platzt aus allen Nähten. Trotzdem ist man bei der Auswahl von neuen Besitzern sehr sorgfältig.

Beim Sommerfest am vergangenen Wochenende hatten Vierbeiner und Menschen viel Spaß. Es gab Infostände, veganes Essen und viele Attraktionen, wie etwa eine Kuscheltierklinik der Tierärzte.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Das Tierheim Düsseldorf ist vielen Menschen in der Stadt ein Begriff. Doch nur die wenigsten wissen, dass der damit einhergehende Tierschutz auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken kann. Begonnen hat alles 1873 mit der Gründung des Tierschutzvereins „Fauna“. „Insgesamt war das, meines Wissens nach, der vierte Verein dieser Art in ganz Deutschland“, erzählt Monika Piasetzky, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins Düsseldorf, der heute das Tierheim betreibt. Gegründet worden sei der Verein als Geflügelzüchterverein, meint Piasetzky. Über die folgenden Jahre wisse sie kaum etwas, durch die beiden Weltkriege sei vieles in Vergessenheit geraten oder vernichtet worden.

Das Internet gibt ein wenig mehr Aufschluss: Tatsächlich gab es im Mai 1874 eine sehr erfolgreiche Geflügelausstellung des Vereins, der nach dem zweiten Absatz seiner Vereinsstatuten den Zweck hatte, „das Interesse für die Tierwelt zu erwecken und zu fördern“. Nur einen Monat später plant der Tierschutzverein Fauna, einen Zoo in Düsseldorf aus der Wiege zu heben. Dafür gründete der Verein eine Aktiengesellschaft. Schon 1876 war der Zoologische Garten fertiggestellt. Vieles war verändert worden, die Landschaft umgestaltet, Gebäude errichtet und auch rund 200 Tiere waren zu diesem Zeitpunkt dort.

Die Geschichte des Zoos ist, wie kürzlich berichtet, umstritten, da dort nicht nur Messen, Ausstellungen und eben „normaler“ Zoobetrieb stattfand, sondern auch menschenverachtende Völkerschauen. Der Tierschutzverein war zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in den Zoo involviert. Eine der wenigen Kenntnisse über den Verein gibt es nur noch bezüglich der Namensänderung: 1887 legte er seinen Namen „Fauna“ ab und heißt seither „Tierschutzverein für Düsseldorf und Umgebung e.V.“ – das ist bis heute auch so geblieben. „Haustiere und Tierschutz gab es in diesen Jahren nicht in dem Sinne, wie wir es heute kennen“, schließt Piasetzky dieses Kapitel.

Richtig weiter ging es für den Verein schließlich erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit Clara Vahrenholz. Diese Frau sammelte aus den Ruinen die überlebenden Tiere. „Aber es gab überhaupt keinen Platz dafür. Vahrenholz wandte sich deshalb hilfesuchend an die Stadt“, erzählt Monika Piasetzky. Tatsächlich gibt es ein passendes Gelände: Ein altes Arbeitslager soll umgebaut werden. Bis heute stehen die (inzwischen mehrfach modernisierten und erweiterten) Gebäude des Tierheims, das nach Vahrenholz benannt ist, auf der rund 10 000 Quadratmeter großen Fläche in Rath auf der Rüdigerstraße. „Schwierig ist es natürlich, dass wir aufgrund der engen Bebauung und der Bahngleise keine Möglichkeiten zur Erweiterung haben.“

800 Tiere leben zurzeit
in dem Heim, viele sind krank

Denn das Tierheim platzt mittlerweile aus allen Nähten, wie Piasetzky betont. Über 800 Tiere werden dort aktuell beherbergt. „Viele sind krank oder haben andere Beschwerden. Aber sie sind da und jemand muss sich um sie kümmern.“ Das tun rund 50 Angestellte und etliche Ehrenamtliche, „ohne die all das nicht möglich wäre“. Bei so vielen Tieren und Mitarbeitern kommen auch hohe laufende Kosten zusammen: Rund zwei Millionen Euro kostet der Betrieb pro Jahr. Ein Teil wird von der Stadt bezuschusst, der Rest setzt sich aus Spenden oder Erbschaften zusammen. „Ein bisschen Glücksspiel ist da dabei, schließlich ist es nicht sicher, dass genügend Gelder zusammenkommen“, meint Piasetzky. Gleichzeitig werde gerade alles teurer: Futter, Energie, Medikamente.

Die hohe Anzahl an Tieren sieht die Geschäftsführerin vor allem auch in der Corona-Pandemie. „Viele haben sich da Tiere angeschafft und jetzt, wo die Normalität zurückgekehrt ist, festgestellt, dass sie doch nicht genügend Zeit dafür haben.“ Deshalb gehe das Tierheim bei der Vermittlung auch sehr sorgsam vor. Am Anfang stehe ein Termin mit den Pflegern an, die im Gespräch herausfinden wollen, ob die Rahmenbedingungen für das jeweilige Tier stimmen. „Das haben wir aus der Corona-Zeit beibehalten: Wir haben keine regulären Öffnungszeiten mehr, sondern führen Vermittlungsgespräche auf Terminbasis. In dieser Zeit steht dann das Gespräch im Fokus und wird nicht durch andere Interessenten unterbrochen, wie das früher oft der Fall war.“ Auch Hausbesuche seien vor der Vermittlung ein Thema, um sicherzustellen, dass die Gegebenheiten mit den Erzählungen übereinstimmen. All dies ist aufwendig, aber laut Monika Piasetzkys notwendig. „Wir haben inzwischen auch eine Art ,Probezeit‘ eingeführt.“ Es entspanne die Menschen und der Druck sei gemildert, wenn die Option besteht, das Tier, sollte es doch nicht passen, wieder ohne Rechtfertigungsnot zurückgeben zu können. Nur selten werde dies allerdings genutzt. Insgesamt müsse es einfach passen. „Ich kann nicht einem alten Menschen einen jungen, dynamischen Hund vermitteln, den auch kräftige Menschen kaum halten können. Da müssen wir auch Verantwortung zeigen und sind dann eben ‚die Bösen’“, erklärt Piasetzky den hohen Aufwand. Das Tier solle schließlich in gute Hände gelangen. „Denn am Ende geht es doch um den Tierschutz.“

Es gibt auch ein Programm, in dem Tiere „verliehen“ werden. „Das ist rechtlich bedingt. Wir überlassen die Tiere Menschen, die sich die Haltung finanziell vielleicht nicht leisten können.“ Bedeutet: Die hohen Tierarztkosten, die ebenfalls stark angestiegen sind, können weiterhin vom Tierheim finanziert werden. Das gehe nur, solange die Tiere faktisch weiterhin im Besitz des Vereins sind. „Wir wollen den Tieren, die oft schon älter und entsprechend gebrechlich sind, ein gutes Zuhause für ihren Lebensabend geben.“

Allgemein wolle man verstärkt bereits in der Erziehung im Umgang mit Tieren ansetzen. „Dafür gibt es den Hof ,Tina macht Schule’ in Hellerhof, wo wir den Umgang und den Wert dieser Lebewesen an Kinder vermitteln möchten.“ Dann, so hofft Piasetzky, werde auch weniger achtlos mit kranken, alten oder schlicht nicht mehr erwünschten Tieren umgegangen.