Erste Hilfe: 24 Stunden Wahnsinn

Reportage: Der Rettungsdienst hat über Karneval gut zu tun. Ein Nachmittag im Rettungswagen. 51 Einsätze haben die Rettungswagen insgesamt, neun jugendliche und 42 erwachsene "Alkoholleichen" müssen ins Krankenhaus.

Düsseldorf. Manchmal ist der Dienstplan gegen einen. Nik Bongartz und Karl-Heinz Schreurs hat es in diesem Jahr knüppeldick erwischt. Dienst an Altweiber, Dienst am Samstag, Dienst an Rosenmontag. Die beiden Berufsfeuerwehrmänner können Karneval nicht mehr sehen und hören.

Und auch nicht riechen. Denn der Straßenkarneval hat seinen ganz eigenen Geruch. Es ist hauptsächlich der von Alkohol. Er wabert aus den Pfützen verschütteten Bieres, er dünstet aus den Poren schwitzender Narren und strömt aus den Mündern volltrunkener Jugendlicher.

Und er breitet sich in diesem Moment im Rettungswagen aus. Schreurs und Bongartz haben die Schicht im Rettungsdienst, wie schon Donnerstag und Samstag. Das kann heißen: 24 Stunden purer Wahnsinn. Es ist gerade einmal 14.33 Uhr, Ecke Königsallee/Bahnstraße. Die 19-jährige Barbara (Name geändert) aus Schwelm liegt auf der Trage im Rettungswagen und wimmert vor sich hin. "Mir ist schlecht, mir ist schlecht". "Kein Wunder", konstatiert Nik Bongartz. Die junge Frau hat innerhalb einer halben Stunde anderthalb Liter Wodka Red Bull getrunken. "Und erst eine Stunde nach dem letzten Schluck ist der Alkohol völlig vom Körper resorbiert", sagt Bongartz. Er erwartet, dass sich der Zustand der Patientin erst noch einmal verschlechtert, bevor es ihr wieder besser geht.

Barbara wird ins Marienhospital gebracht, zum Ausnüchtern. Als der Rettungswagen ankommt, ist die 19-Jährige völlig weggetreten. Sie wird in eines der von den Johannitern errichteten Zelte gebracht. Dort überwacht eine Ärztin ihre Vitalfunktionen.

Im Männerzelt sucht sich derweil bei einem 14-Jährigen der Alkohol wieder einen Weg nach draußen. Eine Wodkaflasche, neun "Kleine Feiglinge" soll der Junge geleert haben, dazu Bier. Diagnose Alkoholvergiftung.

Eine halbe Stunde später steht der Rettungswagen wieder an der Kö und wartet auf "Kundschaft". Doch es bleibt lange ruhig. Erst kurz nach 16 Uhr kommt ein Karnevalstourist aus Kiel angehumpelt. "Ich habe wohl die falsche Frau angebaggert", sagt er und zeigt auf seine zerrissene Hose. Er sei von hinten geschubst worden, sagt er, während Bongartz sich das rechte Knie des Mannes anguckt, das mit einer tennisballgroßen Schwellung beeindruckt. "Tut es weh?", fragt der Rettungsassistent. Der Kieler verneint. "So eine Schwellung und keine Schmerzen, das habe ich auch noch nicht gesehen", wundert sich Bongartz. Kurz darauf wird dem Mann schlecht, der Kreislauf. "Ich kann kein Blut sehen", sagt er, bevor er auf die Trage gebettet wird. Zehn Minuten später geht’s schon wieder, der Kieler kann weitefeiern. "Vergessen Sie ihr Bier nicht", rufen ihm die Feuerwehrmänner hinterher.

Der Rosenmontag verläuft bis zum frühen Abend noch ruhig. 51 Einsätze haben die Rettungswagen insgesamt, neun jugendliche und 42 erwachsene "Alkoholleichen" müssen ins Krankenhaus. Nik Bongartz und Karl-Heinz Schreurs haben aber noch lange nicht Feierabend. Die heiße Zeit fängt erst am späten Abend an.