Feuerzangenbowle zweiter Teil: Augenarzt macht zweites Abitur
Dr. Eckhard Roth hat mit Freunden gewettet, dass er es noch einmal schafft. Er bestand, doch die Bezirksregierung will das Dokument zurück.
Düsseldorf. „Wahr sind auch die Erinnerungen, die wir mit uns tragen; die Träume, die wir spinnen und die Sehnsüchte, die uns treiben. Damit wollen wir uns bescheiden.“ (Aus: Die Feuerzangenbowle, Heinrich Spoerl)
„Feuerzangenbowle reloaded“, hat der Düsseldorfer Augenarzt Eckhard Roth seine persönliche erneute Bildungsoffensive genannt. Sein erstes Abitur hat er seit 1976, jetzt hat er sein zweites Abitur gemacht. Geboren aus einer Schnapsidee.
Gemeinsam mit Freunden hatte er sich getroffen, sie hatten dem Doktor der Medizin und der Naturwissenschaften nicht zugetraut, dass er das Abitur noch mal hinbekommt. Doch der 55-Jährige hielt dagegen. „Nur kein Sport“, war die Bedingung.
Die „Feuerzangenbowle-Runde“, eine Gruppe von fünf Freunden um Eckhard Roth, war im Frühjahr dieses Jahres zusammengekommen. Der Titel der Runde, in Anlehnung an den Roman von Heinrich Spoerl, war nicht zufällig:
Roth hatte vor 37 Jahren sein Abitur am Geschwister-Scholl-Gymnasium gemacht, der früheren Oberrealschule, an der auch Heinrich Spoerl unterrichtet wurde. Und so lebte der Streich von damals — der Schriftsteller Johannes Pfeiffer drückt noch einmal die Schulbank — auf andere Art erneut auf: Auch Roth meldete sich noch mal an einer Schule an, zum Externen Abitur.
Dass er bereits mit Doktortiteln gesegnet ist und sein Abitur längst in der Tasche hat, musste er verschweigen, um am Niederrhein-Kolleg angenommen zu werden. In einem fingierten Lebenslauf wurde er so zum weltenbummelnden Koch, der jetzt Versäumtes nachholen wolle. Und eine Erklärung, dass er die Abiturprüfung zum ersten Mal ablegen würde, gab er ebenfalls ab — schriftlich natürlich.
Und das legt ihm die Bezirksregierung nun zur Last: „Ohne die Unterschrift an dieser Stelle im Bewerbungsformular wären sie nicht zugelassen worden“, schreibt ihm eine Mitarbeiterin der Behörde an der Cecilienallee und fordert: „Ich wiederhole daher meine Aufforderung auf Herausgabe des Zeugnisses.“
Das will Roth auf keinen Fall: „Ich habe niemandem geschadet. Ich habe nur unterschrieben, dass ich kein Abitur habe“, sagt der Arzt, der zudem Augenoptikermeister, Physiker und Mathematiker ist.
Gerade von letzterer Disziplin hatte er sich vor der Prüfung versprochen, sie im Schlaf absolvieren zu können. „Ich habe gedacht, Mathe, da gehe ich rein und bin in 20 Minuten wieder draußen.“ Von wegen. Die kompletten drei Stunden benötigte der 55-Jährige. Allerdings galt hierbei unter den Freunden, dass er sich dafür im Vorfeld nicht vorbereiten durfte. Bei der Mathe-Prüfung lief dem Doktor deshalb die Zeit davon, immerhin holte er noch eine glatte zwei.
Intensiv kniete sich Roth im Vorfeld der Prüfungen in andere Fächer rein: Philosophie, Geschichte, Latein, Biologie. „Ich habe das im Nachhinein mal durchgerechnet, ich habe ungefähr 150 Stunden investiert. Und die haben sich für Roth gelohnt. Er bestand, wenn auch „nur“ mit der Note drei. „Es war ein tolles Gefühl, dieses Zeugnis in der Hand zu halten.“
Aus der ursprünglichen Schnapsidee sind zahlreiche Erkenntnisse gewachsen, auch diese, dass die Schüler heute nichts geschenkt bekommen. Aber auch die, dass eine gute Ausbildung ewig hält.
„Ich habe durch die Schule, die ich gehabt habe, ein sehr gutes Allgemeinwissen. Das habe ich meinen Lehrern zu verdanken. Und ich habe die neue deutsche Rechtschreibung gelernt“, ergänzt der Augenarzt mit ein wenig Humor. Doch den haben die heutigen Kollegen der hoch gelobten Pädagogen von damals offenbar nicht.
Ganz anders übrigens die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft. „Das, was sie in Ihrem Brief schildern, toppt so ziemlich alles Amüsante“, schreibt sie Roth, der sie von dem Fall in Kenntnis gesetzt hatte. Und sie sagt auch, dass der Augenarzt ein gutes Beispiel dafür sei, wie externen Autodidakten in NRW die Chance eingeräumt werde, das Abitur abzulegen. Genau das wollte Eckhard Roth, neben aller Eitelkeit, auch der Öffentlichkeit zeigen.
Und wie ist überhaupt alles rausgekommen? Roth besuchte einen Lehrer des Kollegs, um ihm zu danken, nachdem er bestanden hatte. Doch der verstand den Spaß nicht und meldete ihn bei der Bezirksregierung. Und damit schließt sich der Kreis wieder zur Literaturgeschichte: Auch Pfeiffer legte bekanntlich in der Feuerzangebowle die Karten auf den Tisch — und wurde rausgeworfen.