Große Chance für Chancenlose: Idris aus Kabul hat’s geschafft

42 Schüler haben sich den Juroren gestellt. Rund die Hälfte erhält eine Förderung.

Düsseldorf. Wer Idris in dem Moment beobachtet, der vielleicht sein Leben verändert, mag sich wundern. Nur einen Augenblick lang huscht ein Lächeln um seine Mundwinkel, dann wird er wieder ganz ernst. Viel zu ernst für einen 14-jährigen Jungen. Idris, der Junge aus Kabul, dessen Vater im Krieg verschollen ist, und der mit seiner Mutter und den beiden kleinen Brüdern seit zwei Jahren in Deutschland lebt, möchte Arzt werden. Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist, für ihn haben sich die Bildungschancen mit dem Deutschen Schülerstipendium drastisch erhöht.

„Wir suchen Kinder, die einfach schlechte Startchancen haben, die aber wissbegierig sind, und denen die Schule nicht genug Futter bietet“, sagt Regina Pötke von der Roland Berger Stiftung. Es ist nicht schwierig, diese Kinder zu finden. Denn laut OECD-Studie ist die Durchlässigkeit des Bildungssystems nach oben für Kinder aus sozial benachteiligten Familien in keinem anderen westlichen Land so gering wie in Deutschland. 42 Kinder aus ganz Nordrhein-Westfalen sind am Samstag in die Räume der Stiftung in Golzheim gekommen. Alle bewerben sich um eines von offiziell 20 Schülerstipendien, am Ende werden es sogar 22 sein. Pro Jahr werden sie mit Bildungsguthaben im Wert von bis zu 14 000 Euro gefördert — von der Grundschule bis zum Abitur. „Das Geld wird aber nicht ausgezahlt“, sagt Pötke zum Verfahren, „allein schon, weil sich viele Eltern im Bildungsdschungel gar nicht genug auskennen, um zu wissen, was ihr Kind eigentlich braucht.“

Stattdessen wird ein individueller Förderplan erstellt. Was sind die Stärken des Kindes, was sind die Schwächen, wo will es einmal hin im Leben? Dafür gibt es Seminare und Workshops aus insgesamt zehn Bereichen, von der Persönlichkeitsentwicklung über schulische Förderung bis hin zu Benimm-Kursen. Wie bewege ich mich auf welchem Parkett — das ist selbst für Kinder der bürgerlichen Eliten nicht immer leicht. Wie sollen sich da Jugendliche zurechtfinden, deren Familien beispielsweise aus einem anderen Kulturkreis kommen? Auch Theater- und Museumsbesuche, Klassenfahrten, der Buchkauf oder die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen werden finanziert.

Ob er stolz sei? Idris kann die Frage kaum verstehen. „Warum , ich bin noch nicht Arzt geworden? Das ist mein Lebensziel.“ Mutter Freshta betritt schüchtern lächelnd den Raum. Auf Pashtu erklärt er ihr, was er gerade erfahren hat. Sie macht ein ernstes Gesicht, dann siegt die Freude. Verschämt drückt sie ihm einen Kuss auf die Wange. Idris sagt nichts.