Oberlandesgericht Düsseldorf Geheimpolizist des IS? Konvertit aus „Lohberger Brigade“

Ein mutmaßlicher IS-Terrorist steht den deutschen Behörden seit Monaten Rede und Antwort. Nils D. aus der Dinslakener „Brigade Lohberg“ hat ausgepackt. Ab Mittwoch muss er in Düsseldorf auf die Anklagebank.

Ein mutmaßlicher Terrorist des „Islamischen Staats“ steht am Mittwoch vor dem Düsseldorfer Oberlandesgerichts.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Düsseldorf (dpa). Die Häuser der alten Zechensiedlung sind grau und haben bessere Zeiten erlebt. Der Förderturm steht noch. Dinslaken-Lohberg liegt im nördlichen Ruhrgebiet, einer der ärmsten Regionen Deutschlands. Seit 1914 wurde hier Steinkohle aus der Tiefe geholt. 2005 war damit Schluss. Lohberg wurde als „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ eingestuft. Doch nicht der Niedergang des Bergbaus brachte der Siedlung bundesweite Beachtung, es war der Aufstieg des Salafismus.

13 bärtige junge Männer aus Lohberg setzten sich als islamistische Miliz nach Syrien ab, bildeten dort die „Lohberger Brigade“. Einer von ihnen posierte mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand. Inzwischen sind die Reihen der Brigade dezimiert: „Fünf sind tot, fünf zurück und auf einem ganz guten Weg der Reintegration“, sagt Stadtsprecher Horst Dickhäuser.

Einer der Heimkehrer muss am kommenden Mittwoch im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts auf die Anklagebank - als mutmaßlicher Terrorist des „Islamischen Staats“. Nils D. (25) war vor einem Jahr in Dinslaken von Spezialkräften aus seinem Kleinwagen geholt und festgenommen worden. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

Das Besondere an ihm ist: Er redet. Als Zeuge in Terrorprozessen in Celle und Düsseldorf hat der 25-Jährige bereits ausgepackt. Er habe als Mitglied einer Spezialeinheit, einer Art Geheimpolizei des IS, Deserteure gejagt, berichtete er freimütig.

Laut Anklage gehörte er der Terrormiliz seit Oktober 2013 länger als ein Jahr an. Mit Sturmhaube, Kalaschnikow und Sprengstoffgürtel sei er zum Aufspüren von Abweichlern und Deserteuren ausgerückt.

In Celle bestätigte Nils D., Folterungen und Hinrichtungen miterlebt zu haben. „Kniend von hinten“, seien von einem Scharia-Gericht Verurteilte erschossen oder geköpft worden - „mit einem Schwert“. Anschließend habe man sie gekreuzigt und mehrere Tage als Abschreckung zur Schau gestellt.

Gefangene habe er zu einem Gefängnis gebracht, in dem gefoltert worden sei. „Ich habe die Folter gesehen“, mitgemacht haben aber will er nicht. Doch ein Foto soll ihn zeigen, wie er einem Gefangenen eine Pistole an den Hinterkopf hält.

„Wenn man sich abkehren will vom IS, ist man automatisch ein toter Mann“, sagte Nils D.. Inzwischen dürfte er selbst als Abtrünniger gelten. Nicht einmal seine Verteidiger möchten ihre Namen preisgeben.

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor war Religionslehrerin in Dinslaken. Fünf ihrer Schüler reisten nach Syrien, um für islamistische Terrorgruppen zu kämpfen. Danach warnte sie vor der Anziehungskraft der Islamisten. Junge Männer reize es, „den eigenen Gewaltfantasien, der eigenen Wut und den eigenen Rachegelüsten freien Lauf lassen zu können“.

Viele Millionen Euro Investitionen flossen in den vergangenen Jahren nach Lohberg. Während die Industriekulissen noch abgerissen werden, ist daneben auf Abraumhalden ein Park entstanden. Mehrere Organisationen kümmern sich inzwischen um auffällige Jugendliche. Ein „Kreativ-Quartier“ entstand. Der „Heilsprediger“, der die jungen Leute radikalisierte, habe sich nach Duisburg abgesetzt, berichtet der Stadtsprecher. „Die Szene ist zerbröckelt.“