Düsseldorf Gesine Spieß: „Ich habe über Männer sehr viel gelernt“

Sie war die erste Frauenbeauftragte der Stadt Düsseldorf. Ihre Vorgängerinnen hatten die Probezeit nicht überstanden.

Foto: Gesine Spieß

Düsseldorf. Der neue Job kam ihr vor wie eine Expedition in ein fremdes Land: Als Gesine Spieß vor 30 Jahren den Job als erste Düsseldorfer Gleichstellungsbeauftragte antrat, fühlte sie sich als Pionierin, die unterwegs war, die Rituale und Gebräuche eines fremden Stammes zu betrachten. Anschaulich und bildreich beschreibt die promovierte Erziehungswissenschaftlerin und Professorin der FH Erfurt den Start des Frauenbüros in der Landeshauptstadt.

„Ich erinnere mich, dass zwei Frauen vor mir eingestellt worden waren für diese Aufgabe, beide überstanden jedoch nicht die Probezeit — ich war dann die Lösung“, sagt Spieß beim Rückblick nicht ohne Stolz. „Es gab kein Berufsprofil, keine Umsetzungsvorschläge, ich musste zunächst lernen, ein fremdes System zu verstehen.“

Spieß, Jahrgang 1945, war schon jahrelang zuvor in der Düsseldorfer Frauenbewegung aktiv gewesen: „Ich hatte die Ziele der Frauenbewegung im Kopf und fragte mich, wo ich zuerst eingreifen soll.“ Integrativ, kommunikativ und in der Sache beharrlich arbeitete sie sechs Jahre als Gleichstellungsbeauftragte. Die redegewandte und souveräne Düsseldorferin hatte schnell verstanden, dass sie nur erfolgreich sein konnte, wenn sie ihrem männerdominierten Umfeld klar machen konnte, dass das Wegräumen von Privilegien und das Herstellen von Gleichheit Vorteile für den Betriebsablauf bringt. „Ich hatte vom ersten Tag an viele Bündnispartner. Die Männer waren damals an geschlechterpolitischen Themen interessierter als heute.“

Das Thema Gleichstellung sei für die Männer innovativ, interessant und auch etwas erschreckend gewesen, „wie auf einer Geisterbahn“. So sei die Ausbildung zum Forstwirt bis 1988 den Frauen verwehrt gewesen: „Und das nur, weil eine Toilette fehlte!“ Schulhausmeisterinnen, die bis dahin nur in ergänzender Funktion zu ihrem Mann arbeiteten, bekamen eigene Verträge, Putzfrauen wurden geschult, um mit Anfeindungen besser umgehen zu können und für Fahrerinnen der Rheinbahn wurde ein Sicherheitskonzept erarbeitet: „In der rein männlich definierten Welt konnte sich niemand vorstellen, dass einsame Endhaltestellen für Fahrerinnen eine Gefahr darstellten.“

Dennoch sei ihre Macht als Gleichstellungsbeauftragte hauptsächlich symbolisch gewesen: „Es ging um gute interne Überzeugungsarbeit. Die Sprache war mein Handwerkszeug, mein Ziel war eine geschlechtergerechte Sprache, in der sich Frauen angesprochen fühlen.“

Ihre Empfehlungen, die als Broschüre erschienen, wurden bundesweit kopiert. „So wurde stets von den Vätern des Grundgesetzes gesprochen, die vier Heldinnen von Artikel 3 (Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Anm. der Red.) einfach verschluckt“, nennt Spieß ein Beispiel aus der bis dahin geschlechter-ungerechten Sprache.

Einmal sei sie auch an ihre sprachliche Grenze gestoßen: „Eine passende weibliche Anrede für Herr Ober fehlt mir bis heute.“ In den sechs Jahren als Frauenbeauftragte ist Spieß zur Männerexpertin avanciert: „Diese Zeit war interessant und lehrreich, ich habe es leidenschaftlich gerne gemacht und immens viel über Männer gelernt.“