Hauseinsturz in Düsseldorf Angeklagte sollen eine tödliche Kette von Fehlern begangen haben

Düsseldorf · Vier Jahre nach einem Hauseinsturz mit zwei Todesopfern hat der Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen.

Die Architektin, der Bauleiter, der Statiker und zwei Bauunternehme sind nun vor Gericht angeklagt.

Foto: veke

Es soll eine ganze Reihe an Fehlern, Mängeln und Unachtsamkeiten gewesen sein, die schließlich zum Tod von zwei Männern führte. Vor vier Jahren stürzte ein Hinterhaus an der Luisenstraße in Friedrichstadt ein. Zwei Bauarbeiter starben unter den Trümmern. Nun hat der Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen – die Architektin, den Bauleiter, den Statiker und zwei Bauunternehmer. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung und fahrlässige Baugefährdung. Sie sollen bei der Planung der Arbeiten und bei der Ausführung mehrere Fehler begangen und ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben.

Das Hinterhaus an der Luisenstraße 25 sollte komplett umgebaut werden – oben Wohnungen, unten Büros. Dabei sollte eine tragende Wand im Erdgeschoss durch drei Durchbrüche geöffnet werden, um zwei Großraumbüros zu verbinden. Als Bauarbeiter am 27. Juli 2020 gegen 13.30 Uhr die Wand öffneten, konnte das Mauerwerk die Last der Decke nicht mehr tragen. Die Decke stürzte ein, erst im Erdgeschoss, dann in den oberen Etagen. Das gesamte Hinterhaus brach zusammen und begrab zwei Männer unter sich, die sich nicht mehr ins Freie retten konnten.

Die ersten Fehler sollen aber schon viel früher passiert sein, begonnen bei der Planung des Umbaus. Darum muss sich die 54 Jahre alte Architektin aus Düsseldorf nun vor Gericht verantworten. Ihre Grundlagenuntersuchung des Gebäudes soll lückenhaft gewesen sein, die Baupläne sollen Fehler enthalten haben, so die Anklage. Allen voran habe der Statiknachweis für die Durchbrüche gefehlt.

So habe sie die tragenden Mauerpfeiler zwischen den Durchbrüchen im Laufe der Planung verkleinert. In älteren Plänen waren drei Pfeiler mit 1,60 Meter angegeben. Später waren es zwei Stützen mit 1,50 Meter Breite, eine mit 1,22 Meter Breite. Laut Staatsanwaltschaft habe sie die Pfeilerbreite just an dem Tag verändert, an dem der Ingenieur den Statiknachweis erstellte – allerdings mit den alten Angaben. Den neuen Plan mit den schmaleren Stützen habe sie nicht mehr auf die Standfestigkeit prüfen lassen.

Die Baupläne der Architektin sollen zudem auf falschen Daten beruht haben. Die tragende Wand sei 49 Zentimeter dick, hatte sie in Plänen geschrieben, dabei waren es nur 40 bis 42 Zentimeter. So soll sie Putzschichten eingerechnet haben, die für die Statik keine Rolle spielen, so die Staatsanwaltschaft. Zudem habe sie, anders als vorgesehen, keinen Sicherheits- und Gesundheitskoordinator auf der Baustelle eingesetzt.

Falsche Angaben legten den Grundstein für die Probleme

Von dort aus soll das Unglück seinen Lauf genommen haben. Der Bauleiter einer Firma aus Solingen war aus Sicht der Staatsanwaltschaft derjenige, der den fehlenden Statiknachweis hätte anfordern müssen. Das habe er aber nicht getan. Dabei habe der 61-Jährige gewusst, dass die Architektin die Pfeiler noch einmal verschmälert hatte. „Er hätte die Gefahr wahrnehmen müssen“, so der Staatsanwalt.

Die falschen Angaben der Architektin seien beim Statiker gelandet, einem 63 Jahre alten Ingenieur aus Mönchengladbach. Die habe er für seine Berechnungen genutzt. Dabei hätte er den Fehler bemerken müssen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Doch er habe das Mauerwerk nicht mehr geprüft. Zudem hätte er anordnen müssen, dass stabilere Stahlträger für die Arbeiten eingesetzt werden. Die Träger, die genutzt wurden, reichten nicht aus, um die Last der Decke zu tragen.

Ein Verantwortlicher der Baufirma aus Solingen soll laut Anklage das Subunternehmen für die Durchbrüche an der tragenden Wand ausgewählt haben. Jedoch hätten die Firma und deren Mitarbeiter gar nicht die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse für diese Arbeiten gehabt. „Er hätte den Auftrag ablehnen müssen“, so der Staatsanwalt. Auch der Bauleiter hätte das erkennen müssen, heißt es. Doch statt einen Ablaufplan für den Abbruch von dem Subunternehmen zu verlangen, habe er nur eine Nachricht an den Verantwortlichen geschrieben, in der er um Vorsicht bat.

Auch dem Verantwortlichen des Subunternehmens, ein 52-Jähriger aus Duisburg, hätten die fehlenden Statiknachweise auffallen müssen, so die Anklage. Seine Mitarbeiter, die schließlich die Wand einrissen, habe er nicht informiert.

Beim Prozessauftakt äußerte sich lediglich einer der Angeklagten zu den Vorwürfen. Der Verantwortliche der Baufirma aus Solingen sagte, er habe das Subunternehmen nicht mit dem Abbruch beauftragt. Die Bauarbeiter hätten ohne sein Wissen mit dem Durchbruch begonnen, so der 72-Jährige.

Der Bauleiter richtete das Wort an die Angehörigen eines der Todesopfer, die als Nebenkläger auftreten. Er habe vier Jahre lang keine Gelegenheit dazu gehabt, aber nun wolle er ihnen sein Beileid aussprechen. Der Anwalt der beiden Brüder entgegnete, dass er vier Jahre lang Zeit gehabt hätte, um Kontakt aufzunehmen. Doch das habe keiner der fünf Angeklagten getan. „Das ist nicht aufrichtig“, so der Anwalt. Der Mann, der mit 39 Jahren in dem Haus starb, hinterließ eine Ehefrau und mehrere Kinder.