Bilker Bunker Die Körper-Kunst von Shooting Star Anys Reimann

Düsseldorf · Anys Reimann zählt zu den verheißungsvollen neuen Namen der Kunstszene. Der Bilker Bunker feiert die Düsseldorfer Künstlerin nun mit der Werkübersicht „Dark Star Backyard“.

Anys Reimann in ihrer Austellung im Bilker Bunker, die „Dark Star Backyard“ heißt.

Foto: Bilker Bunker/Uwe Kraft

Im Inneren des Bilker Bunkers schwebt eine Aktfigur unterhalb der Decke. „Big It“ hat Anys Reimann die monumentale Frau aus Polyester betitelt. Sie ist der Blickfang der Einzelausstellung „Dark Star Backyard“, mit der die Düsseldorfer Künstlerin ihre steile Karriere vorläufig krönt. Mehr als 30 Arbeiten der Senkrechtstarterin beherbergt der Bunker an der Aachener Straße. Unter dem Motto „Vom Schutzraum zum Freiraum“ haben Christina von Plate und ihr Team hier einen Ort für Kunst, Kultur, Musik, Design und Sport geschaffen, dessen Bekanntheit über Düsseldorf hinausreicht.

In dem trutzigen Dark Cube, der 1942 als „Luftschutzbauwerk Nr. 25“ errichtet wurde und seit 2014 unter Denkmalschutz steht, werden seit dem Sommer vergangenen Jahres Kunstausstellungen gezeigt. Anys Reimanns Soloshow ist die vierte Präsentation. Und „Big It“, gesichtslos, gekennzeichnet durch pralle Brüste und kurvige Hüften, mutet an wie ein Update der „Venus von Willendorf“. Plastikzeitalter statt prähistorische Zeiten.

Kunsthistorische Referenzen drängen sich auf bei den ebenso sinnlichen wie kraftvollen weiblichen Aktfiguren, die Anys Reimann in Multimedia-Technik wiedergibt – vorherrschend sind Collagen mit Motiven aus Hochglanzmagazinen, die auf eine Leinwand aufgebracht und mit Ölfarben ergänzt oder übermalt werden. Berühmte Aktdarstellungen des 19. Jahrhunderts kommen in den Sinn. Beispielsweise „Die große Odaliske“ von Ingres. Oder Manets „Olympia“ – in dem Gemälde präsentiert sich eine nackte weiße Frau selbstbewusst auf einem Bett, während eine dunkelhäutige Dienerin ihr Blumen bringt.

Reimann, Tochter einer deutschen Mutter und eines westafrikanischen Vaters, weist die Rollen neu zu. Ihre „Olympia“-Inkarnationen sind schwarze Frauen der Kategorie „Black Venus“. Mit verführerischen Posen, überdimensionalen Lippen, greller Schminke und hochhackigen Schuhen gehen sie in die erotische Offensive. „Ich arbeite mich ab an Haut, an Körper, an Körperlichkeit, an Identität und an Individualität“, sagt die Künstlerin, die sich als „Afropäerin“ bezeichnet.

Besonders auffällig, dass ihre ­Powerfrauen häufig auf Plateau-Sohlen daherkommen. In der Leder-Skulptur „Big Plateau“ sind sie sogar das dominierende Sujet. Während klassische High Heels ihre Trägerinnen nicht nur erhöhen, sondern sie zudem filigraner erscheinen lassen, paaren Plateau-Sohlen den Absatzeffekt mit massiger Standfestigkeit. Kein Zufall wohl, dass die Künstlerin 2021 eine „Elephant Woman“ collagiert hat.

Zugleich verweist das Bild auf den David-Lynch-Film „The Elephant Man“ – ein ergreifendes Drama über einen Mann, der wegen seiner körperlichen Deformationen als „Elefantenmensch“ in Freakshows ausgestellt wird. Dagegen ist Reimanns „Elephant Woman“ eine Apotheose an das Anderssein. Und an das Potenzial der Transformation, das dabei helfen kann, starre Schönheitsideale und einengende Identitätszuschreibungen zu überwinden. Nicht von ungefähr sind „Otherness“ und „Transformation“ zwei der sieben Leitmotive, in die Anys Reimann ihre Schau im Bunker untergliedert hat.

Das siebte Kapitel, Schlusspunkt der Ausstellung, handelt vom Thema „Human Nature“ und lädt ein in „Baldwin’s Black Garden“. Eine Hommage an den amerikanischen Schriftsteller und Bürgerrechtler James Baldwin, der bis zu seinem Tod im Jahr 1987 in Saint-Paul-de-Vence in Frankreich lebte.

Dort diente ihm sein Garten als Inspirationsquelle und Zufluchtsort. Aus getrockneten Blumen und geschwärztem Holz hat Anys Reimann ein Environment geschaffen, das sich ausnimmt wie ein poetisches Monument der „Black Lives Matter“-Bewegung.