Porträt Felix Krakau Der Mann, der Goethes „Faust“ weiterschrieb

Eigentlich hat die Tragödie nur zwei Teile. Felix Krakau schrieb noch einen dritten und inszeniert die Trilogie nun am Jungen Schauspiel.

 Eine Trilogie über den Pakt mit dem Teufel inszeniert der Regisseur und Autor Felix Krakau.

Eine Trilogie über den Pakt mit dem Teufel inszeniert der Regisseur und Autor Felix Krakau.

Foto: Schauspielhaus/David Michalski

Der Titel der ersten Saison-Premiere im Jungen Schauspiel mag verwundern: „Faust 1+2+3“. Wo kommt jetzt plötzlich der dritte Teil zu diesem Koloss der Theatergeschichte her? Die Autorenzeile gibt einen Hinweis: Das Stück ist von Johann Wolfgang von Goethe und Felix Krakau. Krakau (34), Regisseur und Autor, arbeitet an vielen Bühnen. Regelmäßig auch in Düsseldorf, wo er zuletzt „Ödipus“ im Kleinen Haus und mit „Die Räuber“ von Schiller schon einmal einen Klassiker am Jungen Schauspiel inszenierte. „Faust“ jedoch dürfte auch für ihn ein weitaus härterer Brocken gewesen sein, zumal er ihm noch eine Fortsetzung hinzufügte. Was hat er sich dabei bloß gedacht?

„Man könnte sagen, nicht nur Faust habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, für mich gilt das auch“, antwortet Felix Krakau mit einer Prise Galgenhumor. Er erzählt, wie es dazu kam. Bei dem Vorhaben, einen klassischen Stoff mit einem gewissen Volumen für junge Zuschauer ab 14 Jahren greifbar zu machen, sei „Faust“ sicher nicht naheliegend gewesen. Auf den zweiten Blick jedoch schon. „Es geht um Sinnsuche, um das Bemühen, die Welt zu verstehen“, sagt der Regisseur. „In Wahrheit geht es um alles, um die großen Fragen des Lebens.“ Eigentlich seien dies Kinderfragen, doch jeder Erwachsene trage sie mit sich herum: „Ich liebe sie auch. Selbst wenn sie banal klingen, mitunter schmerzvoll und kaum zu beantworten sind, hatte ich große Lust, viele Wochen damit zu verbringen.“

Dem Reiz des „Faust“-Stoffes und dem Wunsch, sich darauf einzulassen, folgte die dramaturgische Umsetzung. Deren Hürden waren dem Autor bewusst. „Allein der erste Teil, Inbegriff des deutschen Bildungskanons, ist eine Riesenaufgabe“, sagt er: „Den zweiten kennen die wenigsten, er gilt als nahezu unspielbar. Den dritten aus meiner eigenen Feder betrachte ich als eine Art Rückschau oder auch Quintessenz.“ Das ganze Unterfangen sei gigantisch, räumt Krakau ein: „Es entspricht aber dem Faust‘schen Streben. Immer mehr und noch mehr, noch schneller, höher, weiter. Daraus ergibt sich ein inhaltlicher Zugang.“

Er habe sich von seiner Reise in Goethes überbordenden Kosmos mitreißen lassen, musste sich aber auch in der Kunst des Weglassens üben. „Welche Aspekte interessieren uns heute noch, welche können wir guten Gewissens über die Reling werfen?“, habe er sich gefragt – auch um zu vermeiden, die einzelnen Stationen einfach abzuhaken.

Die verschlankte Handlung des Stücks beginnt sehr dynamisch

Im Fokus der verschlankten Handlung steht mit Faust, Mephisto und Gretchen das berühmteste Trio der Theaterwelt. Und ja, beim Schreiben sei ihm manches auch mal über den Kopf gewachsen. „Das Stück beginnt extrem dynamisch, die Schauplätze wechseln rasant“, erklärt er. „Sobald Gretchen auftaucht, verästelt sich alles. Hier musste ich eine Schneise schlagen, ohne den Plot zu zerstören.“ Der Stoff habe sich vor ihm aufgetürmt, sei auseinandergeflogen und wurde neu zusammengesetzt, „immer in der Hoffnung, die Ziellinie zu erreichen.“

Beim Prozess des süffigen Ineinandergleitens der drei Teile ließ der Autor sich von Goethes Sprache treiben, deren Brillanz er bewundert. „Faust“ entfache nach wie vor eine große Sogkraft und Energie, sagt Krakau, das habe er beim Probenbesuch zweier Schulklassen festgestellt. „Die kamen glänzend vorbereitet ins Theater, die angesprochenen Themen sind ihnen durchaus präsent – die Zerrissenheit, die gesellschaftlichen Veränderungen, die Suche nach Halt und das Finden des eigenen Platzes in einer sich ständig wandelnden Welt.“

Spannung ergibt sich im Stück durch die verschiedenen Szenerien wie Auerbachs Keller, Walpurgisnacht oder Hexenküche. „Da ging beim Ensemble während der Proben das Schauspielerherz auf“, sagt er. Und sein Eigenes auch. Regisseur zu werden, war der einzige Berufswunsch von Krakau. Erste Erfahrungen machte er im Detmolder Jugendclub, auch mit klassischen Stoffen. „Die sind mir als Literaturfan wichtig: Es wäre doch schade, wenn sie verloren gehen.“

Ein Praktikum am Schauspiel Frankfurt katapultierte ihn vom gemütlichen Detmold in die großstädtische Theaterwelt und verfestigte sein Ziel. Er studierte Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, Kunsttheorie an der Zürcher Hochschule der Künste sowie als Gast Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Momentan absolviert der gebürtige Hamburger ein Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Als Regisseur nimmt Krakau immer wieder Projekte für ein jugendliches Publikum an. „Mich hat das Theater damals so angefixt, dieses tolle Erlebnis möchte ich anderen vermitteln“, erklärt er: „Wenn ich von jungen Leuten höre, man habe sich bei einer Vorstellung gelangweilt oder eine komische Erfahrung gemacht und ginge deshalb nicht wieder ins Theater, bricht mir das Herz.“ Seiner Aufregung bei der Premiere von „Faust 1+2+3“ wird er nicht ausweichen und sich unter die Zuschauer mischen: „Man hat die ganze Probenzeit gemeinsam bewältigt, das gehört dann einfach dazu. Und außerdem möchte ich auch unmittelbar miterleben, wie unser Stück ankommt.“