Ausstellung „Are you a boy?“ in Düsseldorf Atelierbesuch bei Susanne Ristow

Düsseldorf · Für „Are you a Boy?“ von Susanne Ristow stand ihr Sohn Modell. Der Bilderzyklus hinterfragt Geschlechterrollen.

 Susanne Ristow setzt sich in ihrer Kunst mit Geschlechterrollen auseinander.

Susanne Ristow setzt sich in ihrer Kunst mit Geschlechterrollen auseinander.

Foto: Dieter Laakmann

Das Haus, in dem Susanne Ristow ihr Atelier untergebracht hat, fällt gleich ins Auge. Es ist das einzige in der Straße, das einen wild wuchernden Vorgarten hat. Irgendwie passt die Umgebung zu der vielseitig Kreativen, die hier in den vergangenen rund drei Jahren an einer Bilderserie in Öl gearbeitet hat.

Der Titel „Are you a Boy?” ist die Frage einer Künstlerin an weibliche Rollenbilder in Kunst und Medien. Gleichzeitig ist es auch die Frage einer Mutter an ihren Sohn. Denn Ristow hat ihren, wie sie selbst sagt, „ebenso mutigen wie widerständigen“ Filius Konrad Bochynek überredet, für sie Modell zu stehen. Und das in einer Zeit, die geprägt war von Umbrüchen und Unwägbarkeiten, „irgendwo zwischen Pandemie, Schulabschluss, Neuorientierung, Auszug und Studienanfang“.

Es war die Phase einer Abnabelung. Das Küken wird flügge, verlässt das sichere Nest und wagt sich allein hinaus in die Welt. Momente der Intimität zwischen Mutter und Sohn. Der Versuch, die gemeinsame Zeit noch ein wenig auszukosten, vor allem aber eine fruchtbare kreative Zusammenarbeit. Zwei Menschen, die sich mit unterschiedlichem Blick auf die Darstellung von Weiblichkeit in der klassischen Kunst bis zur Popkultur ihrem gewählten Thema näherten.

Ganz bewusst zieht die gebürtige Lübeckerin Parallelen zu weiblichen Modellen in der europäischen Maltradition und zur modernen Darstellung der Frau in Kinofilm und Medien. Dabei hat sie ihren Sohn aktiv mit einbezogen. „Wir haben gemeinsam Bilder von Filmikonen und Medienstars angeschaut“, erinnert sich Ristow. Da prallten auch schon einmal die Meinungen aufeinander, als es um das Rollenverständnis von Männern, Frauen und allen Geschlechtern dazwischen ging. Hier stritten nicht nur eine Frau und ein junger Mann, es war auch der Zusammenprall der Generationen. Die der Babyboomerin und der Generation Z. Dabei sah der 19-Jährige sehr genau hin und entschied, wen er darstellen wollte. Denn ab den 90ern, so stellten Mutter und Sohn fest, verschwammen die Rollenbilder, waren nicht mehr so eindeutig wie beispielsweise in den 60er-Jahren.

Der Titel ihrer Reihe „Are you a Boy?“ lehnt sich an einen Song von Wayne Rooney an. Inspiriert wurde Susanne Ristow durch dessen Platten, die ihr Mann Martin Bochynek in seiner Sammlung hat. Er wird für die im Januar im Kunstraum Hilden geplante Zusatzausstellung „Are you a Boy? Extended Version“ ein DJ-Set mit dem Titel „Mother“ beisteuern.

Gefragt, wie es ist, so eng mit dem Teenager-Sohn zusammen zu arbeiten, gibt sie zu: „Es waren schöne Momente, aber es hat auch schon mal Reibungen gegeben.“ In Erinnerung an eine Szene muss sie schmunzeln. Um ein bekanntes Motiv aus der Malerei nachzustellen, musste sich Konrad im Garten in ein Wasserbecken legen. Die Begeisterung hielt sich schwer in Grenzen. Seine Mutter erzählte ihm, dass das junge Mädchen, das für die historische Vorlage Modell war, so lange für den Maler im kalten Wasser liegen musste, bis es sich schwer erkältete. „Ihr Vater hat sich daraufhin eingemischt und sich bei dem Künstler beschwert“, erzählt Ristow.

Dann springt sie auf, rückt ein Bild auf die Seite. Zum Vorschein kommt ein Ölgemälde mit einem Märchenmotiv der Brüder Grimm: „Die Sterntaler“. Es zeigt ihren Sohn in der Pose, die unweigerlich vor dem inneren Auge erscheint, wenn man an den Märchenklassiker denkt. Das kleine Mädchen fängt die Sterne mit dem Saum seines Kleides auf. Doch bei aller Feminität, die in Ristows Bilderzyklus durchscheint, hat ihr Sohn durchaus maskuline Züge: „Konrad ist nicht queer und hat sogar manchmal eine Macho-Attitüde.“ Dass er sich trotzdem für die gemeinsame Arbeit bereit erklärt hat, einmal eine weibliche Perspektive einzunehmen, habe er „als Mutprobe“ bezeichnet.