Düsseldorf Brahms’ Violinkonzert mit einem unterkühlten David Garrett
Der Stargeiger und das London Philharmonic gastierten unter Christoph Eschenbach in der Tonhalle.
Düsseldorf. Restlos ausverkauft war die Tonhalle, als Geiger David Garrett als Solist des Violinkonzerts von Johannes Brahms im Mendelssohn-Saal auftrat. Das große Fan-Aufgebot war schon an den vielen nach oben gereckten Handy-Kameras zu erkennen. Mancher Besucher verhielt sich mit seiner Filmerei während des Konzerts wie ein Tourist vor einer Sehenswürdigkeit. Für Show-Talent Garrett ist das kein ungewohnter Anblick, und Dirigent Christoph Eschenbach ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen.
Das einstige Wunderkind Garrett, das mit frühen Mozart-Aufnahmen die Musikwelt verzückte, ist heute ein technisch versierter Geiger ohne Fehl und Tadel. Aber das Spiel des langhaarigen, beringten Sonnyboys wirkt trotz feuriger Virtuosität erstaunlich kühl und emotional reserviert. In dramatischen Passagen der beiden Ecksätze führt Garrett seinen Bogen mit athletischer Verve und macht dabei ein Gesicht wie Orlando Bloom als edelmutiger Elfenritter im „Herrn der Ringe“. Und im lyrischen Mittelsatz gibt der Geiger feine Süße in seinen Ton. Doch der gesamten Darbietung fehlen Weichheit und Wärme.
Auch das London Philharmonic Orchestra geht nicht so ganz aus sich heraus, derweil Eschenbach sich wie ein Mentor stark um seinen Solisten kümmert und ihn suggestiv andirigiert, als wolle er ihn beschwören. Doch der Eisprinz Garrett scheint sich gegen solchen Zauber immunisiert zu haben.
Nach der Pause geschah dann doch noch etwas Magisches: Das Orchester klang wie verwandelt. Schon der erste Einsatz in Brahms’ 1. Symphonie c-Moll überströmte den Saal mit einem Klangstrom wie nach einem Dammbruch. Die fehlende Wärme beim Violinkonzert wurde mit der Symphonie gewissermaßen nachgeliefert. Jetzt gab es Wohlklang in Massen.
Eschenbach konzentrierte sich nun ganz auf sein Orchester, zelebrierte mit einer Ernsthaftigkeit und Leidenschaft, als habe er die berühmte Brahms-Komposition gerade erst entdeckt. Ein so häufig gespieltes Opus erlebt man heute selten mit solcher Ausdrucksstärke. Repertoire-Klassiker wie Brahms’ „Erste“ laufen ja Gefahr, von Profi-Orchestern allzu routiniert abgewickelt zu werden.
Und auch manchem Konzertbesucher erscheint die Musik zuweilen wie abgedroschen. Doch diese Aufführung erzählte die Symphonie neu, mit raunendem Unterton, mitreißenden Steigerungen und Kulminationen, die an so etwas wie den Urknall denken lassen.
Eschenbachs Art zu dirigieren ist hochromantisch. Das Ergebnis erinnert etwas an alte Aufnahmen eines Wilhelm Furtwängler oder Otto Klemperer. Dergleichen gilt unter manchen Kritikern als überholt und unzeitgemäß. Doch als Musikfreund fühlt man sich denn doch sehr bereichert.
Und auch das Publikum schien begeistert: Der Beifall war enorm, es gab stehende Ovationen - mehr als vor der Pause für den Publikums-Liebling David Garrett.