In der Komödie Hier ist der Weihnachtsmann ein Hallodri

Düsseldorf · Im Theater an der Kö wird die stürmische Inszenierung von Marcus Ganser „Weihnachten auf dem Balkon“ bejubelt.

Jens Hartwig, Cynthia Thurat, Claus Thull-Emden, Markus Majowski, Simone Pfennig und Frank Büssing (v.l.) im Stück „Weihnachten auf dem Balkon.

Foto: ja/Theater an der Kö

Wer möchte schon „Weihnachten auf dem Balkon“ feiern? Nicht gerade eine heimelnde Vorstellung. Noch nicht, zumindest in unseren Breitengraden, d.h. bei den noch zu erwartenden Temperaturen. Auf den Kanarischen Inseln mag das ja anders ausschauen.

Egal. Wir sind in Düsseldorf oder Paris, wo die gleichnamige Komödie „Noël au balcon“ spielt. Der französische Autor Gilles Dyrek wählte dafür gleich zwei Familien aus – Nachbarn: Eliane und Patrick wohnen links, Solange und Benjamin rechts. Die Familien und ihre Gäste feiern, man ahnt es schon, keine ganz normale, oder gar besinnliche ‚Stille Nacht’. Wer Kerzenschein und Hausmusik erwartet, ist im Theater an der Kö fehl am Platz. Bei der bejubelten Premiere der zwar jugendfreien, aber doch ziemlich stürmischen Inszenierung von Marcus Ganser ließen die Mimen die Funken sprühen. Die Folge: beste Laune im Parkett und Bravorufe am Ende.

Garstige Dialoge, Kalauer und Slapsticks am laufenden Band. Hier fliegen nicht, wie gerne im Boulevard, Türen auf und zu. Sondern auf den Kleinterrassen mit Geländer prallen die Temperamente aufeinander, Paare schüren alte Konflikte, wie nicht selten an Weihnachten, und bringen den Partner auf die Palme. Elianes pubertierender Neffe Sébastien in schwarzem Halloween-Kostüm und Smartphone-Dauer-Einsatz lässt als Enfant Terrible keine Gelegenheit aus, seine schrecklich nette Familie vor den Kopf zu stoßen und seinen Vater als Fremdgeher bloßzustellen.

Der Weihnachtsmann verteilt nicht brav Geschenke

Und der Weihnachtsmann – in Gestalt des Vaters von Benjamin oder Sébastien – ist nicht der gütige Opi, der brav Geschenke verteilt, sondern ein Hallodri: Aus lauter Frust über seine zickige Geliebte lässt er die Champagner-Korken knallen. Flasche auf Flasche – wie so etwas endet? Das weiß man. Ob das nun Etienne (der Bruder von Eliane) war oder der Bruder von Eliane? Das lässt sich nur erahnen. Gespielt werden beide Rollen von Frank Büssing, der in zwei Gestalten gerne die Boulevard-Sau rauslässt.

Denn der Clou des französischen Stücks: Es gibt zwölf Rollen für sechs Darsteller. Kaum geht der Vorhang auf dem Balkon zu, so tauchen sie in anderen Klamotten und als Figuren aus der Nachbarfamilie auf dem Nachbarbalkon auf.

In diesem Verwirr- und Verwechslungsspiel und fliegendem Wechsel von Kleidern und Rollen liegt der Reiz des Lustspiels, das keine Sekunde etwas anderes sein will als eine deftige Klamotte.

Dabei kommt keine Langweile auf, da alle sechs Schauspieler ein solches Turbotempo an den Tag legen, dass manchem Besucher schwindelig wird. Sie kommen so schrill und schräg über die Rampe (Garderobe: Crunchy), dass man an alles denkt, nur nicht an das Fest der Freude.

Manchmal verwechseln sie die Requisiten von Balkon 1 und 2, lassen wie Markus Majowski – als Patrick/alias Christophe (der Geliebte von Marjorie, der Schwester von Benjamin) – schon mal die Perücke vom Kopf rutschen. Oder wie Simone Pfennig, die als Eliane noch den Haarschmuck von Marjorie auf dem Kopf trägt.

Der Renner sind die flotten, frechen Sprüche und Balanceakte von Claus Thull-Emden in zwei Rollen. Verblüffend echt wirkt der 40jährige Thull-Emden, einst Serienheld in „Verbotene Liebe“,  als 16jährige Nervensäge Sébastien mit Kapuze, von seiner Tante als „Monster“ beschimpft, und der seinen Vater Etienne (also Frank Büssing) an der Nase durch den Ring führt.

Der wendige und sportliche Darsteller mimt den aalglatten Schwengel Bernard, der über die Balkone hinweg balanciert und mit Eliane flirtet, um mit ihr aus dem Chaos zu fliehen.

Die Lacher auf ihrer Seite hat ebenso Cynthia Thurat – hier als arrogante Groß-Mutter Solange, dort als hochschwangere Anne-Cécile, die am Heiligen Abend niederkommt. Als unfreiwilliger Geburtshelfer fungiert der Metzger Christophe (Markus Majowski) mit Schlachterplatte und Zange. Na dann: Gloria Halleluja. Und: Frohe Weihnachten!

Bis 12. Januar 2020. Silvester drei Vorstellungen, Ticket: Telefon 322.333. Mehr Infos: