Interview Per Königszug durch Rumänien

Düsseldorf · Interview Im Rahmen des NRW-Dokumentarfilmfestes „Stranger Than Fiction“ war Regisseur Johannes Holzhausen in Düsseldorf, um seinen Film „The Royal Train“ vorzustellen. Wir sprachen mit ihm über den Film.

Rumänische Dorfbewohner jubeln Kronprinzessin Margareta in ihrem Königlichen Zug zu.

Foto: ja/Navigator Film

Ihr Dokumentarfilm „The Royal Train“ handelt von Rumäniens Kronprinzessin Margareta, die ihr Adelshaus wieder an die Staatsspitze bringen will. Dafür wichtig ist der „Königliche Zug“, in dem Margareta mit ihrer Entourage durch das Land fährt. Wie wurden Sie auf dieses Thema aufmerksam?

Johannes Holzhausen: Zum einen interessieren mich grundsätzlich Themen in Osteuropa. Zum anderen war es relativ leicht, weil die Kronprinzessin eine Cousine zweiten Grades von mir ist. Ich habe sie nicht persönlich gekannt, aber meine Eltern sind mit diesem Zug auch einmal gefahren und haben mir Fotos gezeigt. Und als ich die Fotos von dieser Reise gesehen habe, also Bahnhöfe in irgendwelchen gottverlassenen Dörfern oder Kleinstädte, die immer gefüllt sind mit einer begeisterten Zuschauermenge, die diesem großen Schauspiel zujubeln. Das war dermaßen schräg und Fragen aufwerfend, dass ich schon ein paar Wochen später die Königsfamilie in Bukarest besucht hatte.

Der österreichische Regisseur Johannes Holzhausen.

Foto: ja/Holzhausen

Wie haben Sie die ganzen Orte, an dem der Zug vorbeifährt, logistisch unter einen Hut gebracht?

Holzhausen: Ich hatte insgesamt fünf Kamerateams: einerseits in den zwei größeren Orten, wo man viel von den Vorbereitungen sieht, andererseits in den kleineren Orten – dort aber nur zu dem Zweck, die Ankunft und Abfahrt des Zuges zu filmen.

Wie oft fährt der Königliche Zug durch Rumänien?

Holzhausen: Einmal jährlich am 1. Dezember, dem Nationalfeiertag. Das gibt dem Ganzen diesen scheinstaatlichen Anstrich. Das ist der Witz dabei, dass all das so scheint, als ob es im Auftrag des Staates passieren würde. In Wirklichkeit ist es ein privates Unternehmen. Und die Wahl des Tages gehört dazu, ebenso die Wahl des Zuges – das ist ein Zug, den jeder mieten kann. Sie mieten den Zug als Privatpersonen von der Rumänischen Eisenbahn.

Woher stammt der Zug ursprünglich?

Holzhausen: Dieser Zug wurde in den 1920er Jahren gebaut und gekauft vom damaligen König, um die notwendigen Fahrten durch das Land machen zu können. Am Anfang des Filmes sieht man Zugaufnahmen aus dem Archiv mit dem damaligen noch jungen König, der dann im Exil war und starb und dessen Vater. Dieser Zug war ein Mittel zum Zweck. Und 1947, nachdem die Kommunisten den König ins Exil gejagt haben, ist dieser Zug eingemottet worden. Nun will Margareta die Aktivitäten des Königshauses wie in den 1930er Jahren wieder reanimieren. Sie mieten den Zug für einen Tag, fahren jedes Jahr eine andere Strecke, schreiben den Bürgermeistern der Orte, an denen sie vorbeikommen, wie sie sich zu verhalten haben – das sogenannte Protokoll – und dann machen fast alle mit.

Sie zeigen ja, wie eifrig, gewissenhaft und vorfreudig die Menschen in den Dörfern sich auf den royalen Königsfamilienbesuch vorbereiten, in militärische Uniformen schlüpfen, sich Blumenkopfschmuck basteln, Foto-Ausstellungen in Bahnhöfen installieren, an einem roten Teppich herumimprovisieren. Lieben die Rumänen ihre Royals?

Holzhausen: Je weiter man in dörfliche Strukturen kommt, desto mehr genießt die Königsfamilie einen Nimbus des Großen, des Höheren – in den Dörfern gilt ja schon Bukarest als eine ferne Gegend. Es ist ein Andocken an höhere Sphären, die man durch die Anwesenheit vermeintlich spürt. Diese Orte werden auch von den rumänischen Politikern links liegen gelassen, da ist oft noch nie ein Politiker aufgetaucht. Da bekommen die Bürger auch erstmals Aufmerksamkeit – allein dadurch, dass jemand sagt: Hier bin ich für ein paar Minuten. Und das mischt sich mit dem Volksfest-Charakter des Nationalfeiertags.

Sie zeigen ja auch eine Demonstration von Bürgern gegen die Regierungspartei PSD, eine postkommunistische Partei. Ein Demonstrant erklärt, dass er schon seinerzeit gegen die postkommunistische Regierung protestiert habe. Auch ein Hinweis für die instabile Demokratie in Rumänien, die den Monarchie-Vertretern in die Karten spielt?

Holzhausen: Ganz genau. Der da protestiert, ist Adrian, der Objekte für das Königshaus sucht und dann zu diesen Menschen kommt, die existenziell und emotional mit diesem Königshaus verbunden sind. Der ist so schillernd, dass er auf der einen Seite den monarchistischen Auftrag erfüllt, auf der anderen Seite auch tief demokratisch verankert ist und gegen die Willkür-Politik der Postkommunisten demonstriert. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die politische Kaste in Rumänien zutiefst korrupt ist und deswegen kann sich das Königshaus in diesem Vakuum auch positionieren. Und da können sie moralisch eine Gegenposition aufbauen.

Aber ist es nicht realistisch, dass ein monarchischer Umsturz kommen könnte?

Holzhausen: Es ist ein doppeltes Spiel. Das Königshaus präsentiert sich als eine moralische Institution, die man nicht korrumpieren kann, weil sie über Generationen beständig ist. Aber gleichzeitig macht es sich mit der Politik-Kaste gemein. Es weiß, dass es nur über die Politiker die Möglichkeit hat, seine rechtliche Position zu verändern, d.h., die Königsfamilie agiert momentan als Verein, das Königshaus will aber eine Institution werden, letztendlich eine Wiedereinführung der Monarchie. Ein erster Schritt wäre ein Gesetz, das  verfassungsrechtlich nicht der Republik widerspricht, etwa den königlichen Haushalt über den Staat zu finanzieren.

Sie zeigen ja auch die oft unfreiwillige Komik, die bei den royalen Zeremonien entsteht. Als die Königsfamilie etwa in der moldawischen Hauptstadt Chisinau die Bronzebüste von König Ferdinand I. enthüllt, alle aber noch auf den Priester warten, der das Denkmal weihen soll. Entsteht die Komik dadurch, dass Margareta und ihre Entourage ihre royale Mission so bitterernst verfolgt?

Holzhausen: Sie entsteht aus der Diskrepanz zwischen dem heiligen Ernst und einem Scheitern an der Realität, wo man es mit der Tücke des Objekts zu tun hat oder mit Figuren, die nicht wollen oder nicht können. Da tut sich ein Graben auf, der sehr komisch ist. Das ist toll, weil die Überhöhung wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Leider fürchte ich, dass es dem Könighaus an Humor mangelt, sie sehen darin eine Schwächung ihres Amts.

Der Film ist am 16. Februar um 14.45 Uhr im Bambi zu sehen, Klosterstraße 78. Weitere Informationen gibt es unter