Interview „Es ist genau mein Stoff“

Düsseldorf · Interview Moritz Führmann über seine Rolle im Stück „Die Entdeckung des Himmels“, das Freitag Premiere hat.

 Moritz Führmann in einer Probenszene aus „Die Entdeckung des Himmels“.

Moritz Führmann in einer Probenszene aus „Die Entdeckung des Himmels“.

Foto: ja/Thomas Rabsch

Vor einem Jahr war Moritz Führmann gerade in New York, um seine Frau Anna Schudt zur Emmy-Verleihung zu begleiten. Doch auch der 41jährige Schauspieler, der seit 2009 zum Schauspielhaus-Ensemble gehört, und Schudt (Dortmunder ‚Tatort’-Kommissarin) genau hier kennenlernte, steht mittlerweile auch häufig vor der Kamera. Wie zum Beispiel als Postbote Heiner in der ARD-Krimireihe „Harter Brocken“, in einigen „Tatort“-Folgen oder der Anwaltsserie „Falk“. Doch weiterhin gehört er beim Publikum zu den beliebten Darstellern am Gründgensplatz und wird am Freitag im Großen Haus in einer Uraufführung zu erleben sein: in der Bühnenfassung des Romans „Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch.

Ein Werk, 1992 mehrfach ausgezeichnet und verfilmt in den Niederlanden. Darin beschreibt der enzyklopädisch gebildete Erzähler Mulisch (1927-2010) die intensive Freundschaft zweier Männer, die Verzahnungen ihrer Biografien – beeinflusst von zwei Engeln, die die Tafeln der Zehn Gebote wieder in den Himmel zurückbringen und damit den Bund zwischen Gott und den Menschen beenden sollen. Ein Opus Magnum mit zahlreichen Zeitsprüngen, dessen Figuren sich auf 880 Seiten quer durch die Jahrzehnte bewegen. Führmann spielt eine der Hauptfiguren Max – Astronom und Frauenheld, Sohn einer jüdischen Mutter und eines NS-Offiziers. Während der Proben sprach die WZ mit dem Schauspieler.

Ein Roman von fast 900 Seiten voller Mystik und Zeitsprüngen – geht das auf der Theaterbühne?

Moritz Führmann: (schmunzelt) Es ist ein Experiment. Wir arbeiten daran. Sicherlich wäre es langweilig, nur die reine Handlung zu erzählen. Man muss den Reichtum der Motive, die verschiedenen Rhythmen und den Ton dieses vielfältigen Romans auf die Bühne bringen. Aber dass das Weltendrama im Theater kaum zu inszenieren ist, war einer der Reize für unseren Regisseur. Hartmann hat ja mit Kleists „Michael Kohlhaas“ bewiesen, wie er mit feinen theatralen Mitteln ein erzählerisches Werk mit indirekter Rede in bewegendes Theater verwandeln kann. Ich glaube, auf diese Weise könnte er sogar anderthalb Seiten aus dem Telefonbuch in einen spannenden Theaterabend verwandeln.

Wie sind Sie und er bei den Proben vorgegangen?

Führmann: Alle haben den Roman vorher gelesen. Auf den Proben haben wir uns dann gegenseitig unsere Lieblingsstellen vorlesen. Gemeinsam mit der Dramaturgie wurde entschieden, welche wir einbauen. Und als wir loslegten und Tempo machten, meinte Hartmann: „Langsam, langsam, wir haben keine Zeit.“ Derzeit gehen wir durch das tiefe Tal (er schmunzelt), die Szenen zusammenzubauen, den Stoff zu verknappen. Das ist harte Arbeit. Und natürlich muss man auch Abschied nehmen, entdeckt aber ganz neue Feinheiten.

Was sagt Ihnen persönlich dieser Roman?

Führmann: Es ist genau mein Stoff. Ich habe mich immer nach solch einer Freundschaft gesehnt, wie sie hier zwischen Max Delius und Onno Quist beschrieben wird. Mit Mitte 20 habe ich (damals am Theater Potsdam) das Buch geschenkt bekommen und zum ersten Mal gelesen. Und mir nach 170 Seiten gewünscht: Dieses Buch darf nicht zu Ende gehen. Die Initiation von Freundschaft und die vielen Gedankenspiele waren für mich der Grund, dieses Buch zu lieben.

Ist es ein autobiografisches Buch des jüdischen Autors Mulisch?

Führmann: Sicherlich. Aufgrund seiner persönlichen Geschichte bin ich vor den Proben nach Auschwitz gefahren. Das zu erleben, hat mir viel von Max Geschichte erschlossen.

Zurück zu Ihnen: Sie kamen vor zehn Jahren nach Düsseldorf.

Führmann: Ja, es ist jetzt meine 11. Spielzeit. 2010 habe ich meine Frau auf der Bühne kennengelernt, als sie als Gast als Anna Karenina auftrat. Unsere zwei Söhne (heute 6 und 8 Jahre alt) wurden bald geboren. Es folgten auch nicht so leichte Schauspielhaus-Zeiten, für uns alle, bevor Wilfried Schulz Intendant wurde. Dann habe ich mir gesagt: Ich wäre gern dabei, wenn’s wieder so richtig losgeht. Und bin stolz darauf, dass Schulz es z.B. geschafft hat, 2020 das Theater-der-Welt-Festival nach Düsseldorf zu holen. Jetzt freue ich mich erst einmal, in Mulischs’ Roman endlich wieder auf der großen Bühne spielen zu können. Das letzte Mal war das vor Jahren in Klaus Manns „Mephisto“. Und man spürt, was für ein Schmuckkasten da kurz vor der Vollendung steht.

Und wie läuft’s mit Fernseh-Engagements?

Führmann: Ich hatte immer schon kleinere Rollen. Etwa vor einem Jahr kam dann eine schöne Chance,u.a. auch mit der Anwalts-Serie „Falk“. Das macht Spaß, weil in Düsseldorf gedreht wird und weil ich nach dem Abitur ein paar Semester Jura in Passau studiert und die sogenannten „kleine Scheine“, sowas wie das Grundstudium, gemacht habe. Die Kenntnisse helfen mir jetzt. Auch als Staatsanwalt, demnächst wieder in einem Dortmunder „Tatort“.

Vitamin B durch Anna Schudt?

Führmann: Nein. Ehrlich. Das war ein schöner Zufall, meine Frau hat es erst über die Produktionsfirma erfahren.

Ihre Frau ist ja für TV und Film noch mehr auf Achse. Wie funktioniert dabei ein Familienleben?

Führmann: Ich musste am Theater kürzer treten und kümmere mich stärker um die Kindererziehung. Das funktioniert ganz gut. Aber wenn’s eng wird, kommen glücklicherweise die Großeltern zur Unterstützung.