Comeback nach Riesenerfolg in 1990ern Hit-Produzent Bülent Aris kehrt mit neuem Studio in Düsseldorf zurück
Düsseldorf · Er bescherte den Backstreet Boys einen ihrer größten Hits, wurde als bester Musikproduzent gefeiert. Jetzt hat Aris neue Pläne.
Als Bülent Aris sein Tonstudio im „Quartier 8“ in Flingern betritt, macht er einen bodenständigen Eindruck: Er hat eine Tüte vom Bäcker mitgebracht, setzt sich aufs Sofa und fängt an, sein Brot mit Frischkäse zu bestreichen. Doch die Ausstrahlung eines erfolgreichen Musikproduzenten, einer Größe in der Musikbranche, umgibt ihn dennoch ganz klar – dazu trägt die Piloten-Sonnenbrille, die er auch im Haus trägt, ebenso bei wie die vielen goldenen Schallplatten an den Wänden und der Echo-Preis auf einem Tisch.
Angefangen hat er mit Musik schon ganz früh in der Kindheit: „Ich habe immer auf irgendwas rumgeklopft“, erzählt Aris. Mit vier Jahren habe er sein erstes Instrument bekommen – ein Kinderklavier – und versucht, darauf ein Lied von Frank Sinatra zu spielen. Das Problem: Auf dem Kinderklavier gab es nur ganze Töne, die schwarzen Tasten waren bloß aufgeklebt. „Da habe ich mich geärgert, dass ich den halben Ton nicht spielen konnte. Ich habe immer gesagt: Das ist nicht richtig“, erinnert sich Aris.
Aufgewachsen ist er in Istanbul, mit neun Jahren ist er nach Berlin gekommen. Schon damals habe für ihn festgestanden: „Ich will Musiker werden.“ So hat er erst in einer Schulband, dann in einer kommerziellen Band Schlagzeug gespielt und gesungen, bis er keinen Spaß mehr daran hatte, etwas nachzuspielen. Sein nächstes Ziel: das Tonstudio. „New York, New York“ war einer der Songs, die er Mitte der 1980er-Jahre aufgenommen hat, nämlich in einer Reggae-Variante. Als DJ hat er seine Demo-Aufnahme abgespielt – „und das fanden die Leute irgendwie gut“, so Aris. Da habe er überlegt: „Vielleicht läuft das ja auch im Radio.“
Durch einen Freund sei er zum Produzenten Kuno Dreysse mit einem eigenen Independent-Label gekommen. „Dann lief das Ding im Radio rauf und runter bei NDR und so, aber die Leute konnten es nicht kaufen, weil der Vertrieb so schwach war und nicht so schnell nachdrucken konnte, somit hatte ich keinen Hit geschafft“, erinnert sich Aris. „Aber ich war natürlich einen Schritt weiter, denn ich hatte eine Platte veröffentlicht, ich hatte sozusagen die Schnur entdeckt und nicht mehr losgelassen.“
Dann hatte Aris die nächste Idee. Damals, im Jahr 1985, war der James-Bond-Song „A View to a Kill“ von Duran Duran in den Charts. „Ich fand den Song sehr gut, aber immer, wenn er lief, haben die Leute nicht getanzt. Und ich war DJ, ich wollte, dass die Leute tanzen“, erinnert sich Aris. „Also habe ich überlegt, einen Dance Mix daraus zu machen.“ Auf Begeisterung sei er mit der Idee zunächst nicht gestoßen: „Das macht doch gar keinen Sinn, von einem bestehenden Titel noch einen Titel zu machen, das kauft doch keiner“, habe ihm sein Produzent damals gesagt. Doch Aris hat an seine Idee geglaubt: „Selbst wenn wir das nur für die DJs machen, ist das doch etwas Gutes.“ So kam das Projekt doch zustande – durch den britischen Produzenten Adrian Askew. In den deutschen Charts erreichte die unter dem Künstlernamen „DJ’s Factory“ veröffentlichte Coverversion Platz 22 – in der gleichen Woche war das Original inzwischen auf Platz 44 gerutscht.
Echo-Gewinn in der Kategorie „Produzent des Jahres national“
Seine größten Erfolge hat Aris in den 1990er-Jahren gefeiert – an seiner Seite war dabei Toni Cottura. Zusammen schrieben und produzierten sie etwa das Lied „Get Down (You’re the One for Me)“ der Backstreet Boys. „Damals waren wir mit unserer Band Fun Factory größer als die Backstreet Boys“, sagt Aris, denn zum damaligen Zeitpunkt hatte die US-amerikanische Boyband erst zwei Songs herausgebracht. Über Nacht sei die Demo-Aufnahme entstanden, erzählt Aris, wobei er mehr an der Komposition, Cottura mehr am Text gearbeitet habe. Einige Tage später nahmen dann die Backstreet Boys das Lied auf – „wir haben uns sehr gut mit AJ verstanden“, erinnert sich Aris. Eigentlich sollte es nur ein Lied auf dem Album werden – „aber dann ist es so gut geworden, dass der Manager der Backstreet Boys meinte: Jungs, das wird die nächste Single.“ In den deutschen Charts schaffte es das Lied im Jahr 1996 auf Platz fünf.
Ein Jahr später knackte Aris in den deutschen Charts die Nummer eins: mit dem deutsch-ghanaischen Rapper Nana und dem Lied „Lonely“. 1998 gewann Aris dann gemeinsam mit Cottura den Echo in der Kategorie „Produzent des Jahres national“. Im gleichen Jahr räumte Nana bei „Künstler Rock/Pop national“, die Backstreet Boys bei „Gruppe Rock/Pop international“ ab.
Was ist seitdem passiert, mag man sich nun fragen, was macht ein derart erfolgreicher Musikproduzent nun in Flingern? Aris und Cottura sind auseinandergegangen – friedlich, so Aris, im Kontakt seien sie auch heute noch. Zum Ende der 2000er-Jahre hat Aris dann entschieden, eine Pause vom Musikgeschäft einzulegen. „Es war mir zu viel“, erklärt er seine damalige Entscheidung, „ich habe zu viel gearbeitet und meinen Körper, meinen Geist, meine Gesundheit und vor allem meine Familie vernachlässigt.“ Seitdem habe er seine Kinder priorisiert.
Arix Music, seine neue Firma mit einem Studio in Flingern, sieht der 65-Jährige als einen „Neuanfang“. Er wolle es besser und klüger machen als damals – an die früheren Erfolge anknüpfen, aber nicht seine Familie und seine Freunde vernachlässigen. „Ich möchte es genießen“, sagt Aris. Was er nun auch als seine Aufgabe sehe: „Ich möchte weitergeben, was ich gelernt habe.“
So macht Aris nun in Flingern gemeinsam mit dem Düsseldorfer Ismail „Isy“ Teggour Musik – wieder ist Aris vor allem für die Produktion zuständig, Teggour übernimmt unter anderem die Musikvideos und die Tourneeplanung. Zu den Künstlern ihres neuen Musiklabels zählen Mina, Aca Unikat, Serrano und Purpple Dove. „Wir fangen bei null an und bauen die Künstler auf“, sagt Teggour. Ihm gehe es auch darum, die Düsseldorfer Hip-Hop-Szene voranzubringen und benachteiligte Kinder und Jugendliche zu unterstützen.
Früher, erinnert sich Teggour, war es sein großer Traum, von Aris produziert zu werden. Beim Lied „Darkman“ von Nana habe er gedacht: „Wow, was ist das für ein Sound? Bestimmt irgendwas aus Amerika.“ Dann habe er durch die CD erfahren, dass die Produktion aus Deutschland kommt, nämlich von Bülent Aris – und zunächst Bülent und Aris für zwei verschiedene Personen gehalten. Lange habe er sich dann nicht getraut, bei dessen damaligem Label, „Booya Music“, Demos einzureichen. Bei der Echo-Verleihung habe er versucht, Aris anzusprechen – „aber das hat nicht funktioniert, man kam nicht in seine Nähe“, erinnert sich Teggour. „Im Nachhinein denke ich, ich hatte Glück im Unglück, denn jetzt sind wir Freunde und Partner geworden.“
Aris sagt rückblickend: „Tausende Menschen haben mir im ganzen Leben gesagt: Lass es sein. Wer will deine Musik hören?“ Für ihn habe aber festgestanden: „Ich habe nie Musik gemacht, um damit irgendwer zu sein. Ich habe Musik gelebt und lebe es immer noch.“