Wie sich die Düsseldorfer Kunstakademie wandelt Der Körper verliert seine Grenzen

Düsseldorf · Der Akademie-Professor Robert Fleck spricht über die Umbrüche in der jungen, kreativen Generation.

Robert Fleck, Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie.

Foto: Schaller,Bernd (bs)/Schaller, Bernd (bs)

Robert Fleck (66) hat seit 2012 eine Professur für Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie. Er organisierte das Jubiläum zum 250-jährigen Bestehen und schrieb nebenbei zwei Bücher zur aktuellen Kunst der Gegenwart. In seinem jüngsten Buch berichtet er vom Umbruch in der Kunst durch die Klimakrise. Aber der aktuelle Rundgang präsentierte ganz andere Perspektiven. Die Studierenden diskutieren kaum noch die Biodiversität. Sie leben mit einer erstaunlichen Offenheit die Verwandlung ihres Körpers. Sie können heute ein Mann, morgen eine Frau sein. Ein neuer Trend.

Robert Fleck bestätigt: „Das Arbeiten mit dem eigenen Körper ist in dieser Generation ganz neu, weil der Körper seine Grenzen verloren hat. Das ist fast unglaublich. Viele junge Männer tragen Schmuck. Mehrere Studierende haben eine Geschlechterumwandlung durchgeführt. Für sie ist es wichtig, dass sie einen menschlichen Rückhalt in der Klasse haben.“

Typisch scheint in diesem Zusammenhang die Skulptur eines Franzosen, in der sich die Figur die Haut abzieht, als wolle sie gucken, was sich dahinter verbirgt. Er studiert bei Martin Gostner, dessen Klasse sich sehr verändert hat, indem das Plastische im Augenblick in den Vordergrund tritt. Aber auch in der Schneider-Klasse wird die Gender-Thematik ernst genommen. Die Tutorin sieht nach Meinung von Fleck mindestens sechs Mal im Jahr anders aus.

Ganz anders die Situation in der Fotografie. Die Zeiten, als die Studierenden von Andreas Gursky und Thomas Ruff mit Fotokompositionen aufwarteten, sind vorbei. Viele Arbeiten wirken, als probe man die Rolle rückwärts.

„Das Analoge ist en vogue“, so Fleck. Beispiele gab es beim Rundgang zur Genüge. Die Fotoklasse der Vertretungsprofessorin Sophie Thun kann ihre Räume im obersten Geschoss nicht betreten, weil sich durch den Abriss des gegenüberliegenden Hauses die Erschütterungen entladen haben. Die Risse in den tragenden Elementen machen die Räume unbetretbar. Daraufhin verwandelten die Studierenden ihren Arbeitsplatz in ein Camera-Obscura-Bild.

Auch in der Klasse von Peter Piller bohrte ein Student ein Loch in die Mauer zu einem Kabinett, sodass das Licht der Fenster auf die gegenüberliegende Rückwand fiel und Bilder erzeugte, die er stundenlang nach dem allerersten Verfahren von Fotografie entwickelte. Eine Absolventin der Folkwang-Uni produzierte sogar eine Cyanotypie von anno dazumal. Hierzu Fleck: „Die Generation, die sich eine Zeit ohne Handy nicht vorstellen kann, ist das hoch technisierte Material leid und sucht nach Bildalternativen.“

Fleck geht es um Fragen, wie die Kunst in die Öffentlichkeit kommt, wie die Studierenden Künstler oder Künstlerin werden, wie sie sich durchschlagen, ohne sich zu verbrauchen. Seine Thesen: „Man darf nicht allein sein. Die Studierenden brauchen wenigstens zwei, drei Verbündete, sonst ziehen sie gegenüber dem Apparat in den Museen und Galerien den Kürzeren. Das klingt banal, ist aber wahnsinnig wichtig.“

Fleck bleibt der Akademie noch anderthalb Jahre erhalten. Sein gesetzliches Rentenalter wurde wegen des letzten Rektorats auf 68 Jahre erhöht.

Info Robert Fleck, 1957 in Wien geboren, gilt als renommierter Ausstellungsmacher. Er war als Kommissar des österreichischen Biennale-Pavillons tätig sowie Intendant der Deichtorhallen und der Bundeskunsthalle in Bonn.