Düsseldorfer Schauspielhaus startet Modellprojekt Dramatisch, schön und klimaneutral

Düsseldorf · Nachhaltiges Theater: Mit „Peer Gynt“ präsentierte das Düsseldorfer Schauspielhaus eine klimaneutrale Inszenierung.

Szene aus der Düsseldorfer „Peer Gynt“-Inszenierung von Bernadette Sonnenbichler.

Foto: Melanie Zanin

Das Düsseldorfer Schauspielhaus will sich künftig verstärkt um Klimaneutralität bemühen – und machte jüngst mit der Inszenierung von „Peer Gynt“ den Anfang. Am Theater der Landeshauptstadt wird damit eins von 25 Projekten realisiert, mit denen die Kulturstiftung des Bundes Nachhaltigkeit auch an Kultureinrichtungen fördert.

Nun ist ein Theater nicht nur das, was der Zuschauer allabendlich auf der Bühne zu sehen bekommt, sondern ein Schiff – und bei einem so großen Haus wie in Düsseldorf ein Tanker. Mit rund 400 Beschäftigten vor, auf und hinter der Bühne mit all den Werkstätten und Betrieben. Die erste „Klima-Probe“ zu „Peer Gynt“ fand darum an einem langen Tisch statt, an dem alle Beteiligten überlegten, wo, wie und wie viel Energie in ihrem Umfeld eingespart und somit Kohlendioxid-Ausstoß verringert werden könnte. Man kennt das: Wenn erst einmal alle alles auf den Tisch legen, kann es heikel werden.

„Zwischendurch gab es schon den Moment, an dem ich dachte: Oh Gott, ich kann ja jetzt gar nichts mehr machen, weil alles CO2 verbrennt. Außer wir spielen nackt bei Kerzenschein. Das fand ich jetzt auch nicht so passend für den großen Stoff“, sagt Regisseurin Bernadette Sonnenbichler. Und so habe es bei den Planungen durchaus Tiefpunkte gegeben: „Lust und Suchbewegungen wechselten einander ab.“

Ein Prozent des Budgets für „Peer Gynt“ sollte zum Ausgleich von Treibhausgasemissionen durch Zertifikate verwendet werden. Die Erkenntnis aus dieser eher willkürlichen Festlegung: Je teurer eine Produktion, desto höher die Emissionen; je erfolgreicher eine Inszenierung, desto schlechter ist sie fürs Klima. Für „Peer Gynt“ wurde von der Bundeskulturstiftung das Sparziel von 73 Tonnen CO2 errechnet.

Wo am besten gespart werden kann, ergab auch die Klimabilanz des Schauspielhauses für 2021: vor allem in der Mobilität. Und zwar der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei der Zulieferung von Materialien – aber auch bei der An- und Abfahrt des Publikums. Die Tickets berechtigen zwar zur freien Rheinbahnfahrt innerhalb der Stadt, doch viele Besucher wohnen außerhalb Düsseldorfs.

Besucher sollten zu Fuß, dem
Rad oder mit der Bahn kommen

Da niemand bevormundet werden sollte, blieb es bei einer Sensibilisierung: So wird in der „Peer Gynt“-Aufführung am 18. Februar eine „Mobilitätsaktion“ gestartet mit dem Aufruf: „Kommen Sie zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn. Und wenn das nicht möglich ist, bringen wir Sie im Rahmen eines Modellprojekts gemeinsam mit der Rheinbahn ins Theater.“

Das Publikum ist nicht schuld, aber hat die Klimaneutralität selbst auch in der Hand, zumal die detaillierte Bilanz fürs Theater schon 2021 erstellt wurde und coronabedingt nur knapp 71 000 Besucher gezählt wurden. Das ist nach Angaben des Schauspielhauses ein Drittel der Zuschauer in einer üblichen Spielzeit. Andere Effekte konnten im Haus selbst erzielt werden: Manche großen Kulissenteile wurden nicht neu fabriziert, sondern kamen aus Köln und Hamburg, Kostüme fanden sich im eigenen Fundus und dem der Oper zuhauf. Listen mit abgespielten Bühnenbildern wurden für spätere Zweitverwertungen erstellt und Materialien hinterfragt. Das Programmheft zu „Peer Gynt“ ist ausschließlich über einen QR-Code online abrufbar, klimaschonende Arbeitsabläufe sind festgelegt und dokumentiert.

All das führte unweigerlich zu einer Diskussion auch über die künstlerische Freiheit. Denn obwohl man sich um Klimaneutralität bemüht, war es allen wichtig, „eine schöne Inszenierung zu machen, die diesem großen Stoff gerecht wird. Wir hatten Lust, große Bilder zu schaffen, in diese Welten von ,Peer Gynt‘ einzutauchen und bei allen Überlegungen ein ästhetisches Vergnügen zu bereiten“, sagt Sonnenbichler. Unterm Strich steht ihr zufolge diese Zielvorgabe: „Eigentlich möchten wir eine klimaneutrale Produktion schaffen mit dem Anspruch, dass man es der Inszenierung nicht auf den ersten Blick ansieht. Klimaneutralität soll nicht mit dem Makel der Einschränkung behaftet sein.“

Zumal der Kohlendioxid-Fußabdruck von Kultureinrichtungen gering ist – etwa im Vergleich zur Stadt oder zur Industrie. Das hat den Theaterleuten Manfred Fischedick vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie auf einem der Vorbereitungstreffen erklärt. Es gehe danach im Theater vielmehr um den „Handabdruck“, also vor allem um die Sichtbarkeit eines machbaren Klimaschutzes.

Mit „Peer Gynt“ hat das Düsseldorfer Schauspielhaus jetzt einen Anfang gemacht. Und dabei haben alle gemerkt, dass es der Anfang vom Anfang ist.