Gefeiertes Konzert des Wunderkindes im Robert-Schumann-Saal Kevin Chens feiner Umgang mit Tonarten

Düsseldorf · Schon früh wurde der kanadische Pianist als Wunderkind ausgerufen. Jetzt war der 19-Jährige im Robert-Schumann-Saal zu erleben.

Kevin Chen begeisterte sein Publikum in Düsseldorf.

Foto: Joni Milar/Heinersdorff.

Er errang Siege beim Concours de Genève und beim Internationalen Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv, studiert seit Oktober 2023 bei Arie Vardi in Hannover: Einst als Wunderkind ausgerufen, weil er bereits mit acht Jahren sein Orchesterdebüt gegeben und erste Kompositionen vorgelegt hatte, tritt der 19-jährige Kevin Chen im Schumann-Saal mit ernster Miene und nahezu sachlicher Haltung an den Flügel. Ein junger Meister, dem alles an der Musik und nichts an Zurschaustellung liegt.

Chens Fähigkeiten sind schon kurz nach Beginn der Fantasie fis-Moll op. 28 von Felix Mendelssohn Bartholdy offensichtlich. Bei ihm zielt jede Note auf Ausdruck, sein Wille zum Wesentlichen setzt alles unter Zug. Dreiklänge lässt er harfengleich aufsteigen, sie klingen wie umflort, leicht verschleiert. Aber wenn er das Fugenthema aus Mendelssohns „Präludium und Fuge B-Dur“ op. 35/6 anstimmt, traut man ihm auch Bach zu.

Natürlich ist es faszinierend, wenn Chens Finger über die Tasten fliegen oder sich vehement in sie hineinbohren. Aber virtuos sind viele andere Pianisten. Was Chen auszeichnet, ist sein erzählerischer Stil, sein feiner Umgang mit Tonarten und ihrer Farbe, für Stimmungs- und Beleuchtungswechsel. Das zeigen Chopins Etüden op. 10. Die Reise geht vom grandiosen Segelflug durch die Tonarten (Nr. 1) über innig Sangliches – Nr. 3, auch bekannt mit dem Text „In mir klingt ein Lied“ – bis zu den aufgepeitschten Wogen der Revolutionsetüde.

Tschaikowskis Dumka c-Moll op. 59 (Scène rustique russe) baut Chen vom schwermütigen Beginn bis zum frühlingshaften Glücksleuchten auf. Seine warme und ungemein klare Stimmführung verhindert, dass man im Geflecht von Robert Schumanns 3. Klaviersonate (f-Moll op. 14) die Orientierung verliert. Trotz rauschhafter Romantik bleibt alles fließend und luzide.

Diesen Überschwang treibt Kevin Chen mit seiner Zugabe auf die Spitze. Franz Liszts Klavierfassung von Robert Schumanns Lied „Widmung“ wandelt bei ihm hinreißend auf dem Grat zwischen Empfindsamkeit und Feuer, bevor sie triumphale Akkordgipfel erreicht. Begeisterter Beifall.