Oper „Samson et Dalila“: Rechi setzt erste Oper der Saison in den Sand

Düsseldorf · Der Regisseur scheint der alttestamentarischen Liebes-Tragödie um den hebräischen Helden und der Philisterin nach Camille Saint-Saëns nicht gewachsen. Immerhin sorgen die Musiker für Glanzpunkte.

Michael Weinius (Samson), Ramona Zaharia (Dalila) und Simon Neal (Oberpriester des Dagon) mit dem Chor der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Jochen Quast

Dalila balanciert in hohen Glitzerhacken, Tiger-Dress und wallendem weißem Pelzmantel durch die Unterwelt. Auf oder unter einer Riesentafel liebt die Edel-Dirne oder lässt sich lieben von Angehörigen ihres Clans, genauso wie von Samson – dem Führer eines verfeindeten Clans, dem sie mit der Droge Sex das Geheimnis seines Erfolges entlocken will. Hollywood, Rotlichtmilieu und Partys einer geldhörigen Society mischen sich mit einem Requiem, Untergangs-Szenarien und Kampfszenen an einer Großbaustelle.

Seltsam plakative, streckenweise verwirrende, bestenfalls irritierende Bilder produziert Joan Anton Rechi da auf der Bühne des Opernhauses: Er setzt die alttestamentarische Liebes-Tragödie um den hebräischen Helden Samson und die Philisterin Dalila als modisches Lehrstück in Szene – genauer: in den Sand. Der französischen Oper „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns und dem Sujet des Glaubenskriegs zwischen Hebräern und Philistern (um 1000 v. Chr.) scheint er jedenfalls nicht gewachsen.

Nach zweieinhalb Stunden ernteten Rechi und sein Team (Bühne: Gabriel Insignares) zwar keine Buhrufe, aber nicht mehr als flauen Applaus. Während die erste Opernpremiere der Saison szenisch nicht überzeugt, bietet sie musikalisch mehr als nur Beachtliches: Die Symphoniker (unter GMD Axel Kober), Opernchor und Solisten – allen voran Ramona Zaharia und Michael Weinius in den Titelpartien –  wurden bejubelt. Zu Recht. Sie versetzen mit differenzierter Stimmkraft in romantisches Schwelgen, angereichert mit Wagnerschem Fluss, mal mit durchschlagender Chorgewalt, dann mit brillantem Schöngesang – nach Art von Saint-Saëns, der diese Oper vor 150 Jahren komponierte.

Zugegeben: Einfach ist es nicht, den biblischen Stoff aus dem „Buch der Richter“ zu inszenieren, obwohl der Kampf zwischen Religionsgruppen heute immer noch (leider!) brisant ist. Zudem war es sicherlich sinnvoll, auf Sandalen-Theater und Ben-Hur-Ästhetik zu verzichten. Sie würden bestenfalls nur belächelt.

Doch statt das brennende Thema „religiöser Fanatismus“ zu verhandeln, sieht man auf der Bühne nicht mehr als ein Sammelsurium von Tableaus und Figuren, die nur durch die Klamotten auseinanderzuhalten sind. Hebräer sind zunächst Grubenarbeiter mit Helmen und Leuchten im Dienste der Philister, die Gott Dagon anbeten und die Hebräer zwingen wollen, ihrem Gott abzuschwören. In Orange- und Gelb-Westen dienen Letztere als Sklaven unter Tage, fahren nach der Schicht hoch in die Betonwelt. Hier werden sie bewacht von Philistern in grauem Business-Anzug mit gezückten Maschinenpistolen. Sie bestechen die Hebräer mit Geldscheinen, damit sie zu ihrem Glauben übertreten. Durch Samsons geheimnisvolle Kraft aber befreien sie sich für kurze Zeit vom Philisterjoch.

Einzige Schwäche für die Hebräer: Samsons Liebe zur Feindin Dalila, die ihm mit Erotik und nach einem dramatischen Duett sein Geheimnis – seine Lockenpracht: hier ein blonder Zopf – entlocken kann. Ein sängerischer Höhepunkt des Abends, genauso wie Dalilas Ohrwurm-Arie „Mein Herz öffnet sich deiner Stimme“, das sich vom Liebessäuseln zum Duett der Leidenschaft steigert. Mit samtig warmem und dunklem Mezzosopran verführt Ramona Zaharias den gegnerischen Partner. Der schwedische Wagnertenor Michael Weinius überzeugt durch metallische Kraft und Attacke, ist von Stimme und Figur eher ein germanischer Titan wie Siegfried denn eine alttestamentarische Heldenfigur.

Nachdem Dalila seinen Zopf abgeschnitten hat, wird er vom Oberpriester der Philister (Simon Neal) geblendet und verhöhnt – in einem orchestral rauschenden Bacchanal, das sonst gerne vom Opernballett getanzt wird. Das orgiastische Fest verlegt Rechi in einen Gemeindesaal, in dem der Oberpriester (wie ein Sektenführer) aus einem güldenen Pokal Goldmünzen an die Philister verteilt. Und die Gemeinde samt Priester mutieren zu Witzfiguren, die im peitschenden Saint-Saëns-Takt wie um das Goldene Kalb tänzeln und Party feiern. Na ja.

Unvermittelt, wenig schlüssig dann das Finale: Der erblindete Samson mit blutbeschmierter Augenbinde verflucht seine Schwäche und Liebe zu Dalila. Und die versammelten Philister fahren, wie auf Knopfdruck, zur Hölle. Was bleibt am Ende beim Zuschauer hängen? Bis auf sängerische Glanzpunkte – wenig.

Nächste Aufführungen am  23., 26. Okt. 1., 6., 9., 16., 24., 27. November. Tel.: 0211 8925.211.