Klassik-Konzert Ludovico Einaudi: Ein Sound, so süß wie Zuckerwatte

Düsseldorf · Der italienische Komponist ist vielen durch seine Filmmusik bekannt. Nun spielte er in der Tonhalle.

 Der italienische Pianist Ludovico Einaudi spielte am Freitagabend in der Tonhalle.

Der italienische Pianist Ludovico Einaudi spielte am Freitagabend in der Tonhalle.

Foto: picture alliance / dpa/Kote Rodrigo

Ludovico Einaudi, geboren in Turin, Komponist und Pianist, ist vielen durch seine Filmmusik bekannt. Wer kennt nicht „Una Mattina“, den Ohrwurm aus dem Film „Ziemlich beste Freunde“. Seine Klavierstücke gehören durchaus zum Repertoire eines Klavierunterrichts, spielbare, harmonisch wohlklingende Ergänzungs-Stücke, gedacht als Alternative für Schüler, die mit Bach, Mozart, Clementi oder Beethoven nicht so viel anfangen können. Einaudi, heute 63 Jahre alt, studierte in Mailand an der Hochschule für Musik, er war Schüler von Luciano Berio. Seine Musik hat großzügig betrachtet Anklänge an Minimal Music, ist geprägt durch tonale Harmonien, hat einen leicht konsumierbaren Kuschelrock-Sound. Er gilt als Meister der Verführungskunst.

Und an diesem Punkt beginnt die große Verwunderung des Rezensenten. Wieviele interessante und hochkarätige Konzerte der letzten Monate in der Tonhalle waren minimal oder nur zur Hälfte besetzt. Bei dem Einaudi-Konzert dagegen war alles bis auf den letzten Platz gefüllt.

Dunkelheit im Saal erhöhte die Spannung, man sah drei Musiker schemenhaft, ihre Plätze auf der Bühne einnehmend. Zuletzt fixierten Scheinwerfer die drei: einen Geiger, einen Cellisten und Einaudi persönlich am Flügel. Tatsächlich ist der Sound, den das Musiker-Trio produziert, verführerisch: Zart und süß wie Zuckerwatte, und man bekommt soviel davon geliefert, dass man sich, wenn man es denn mag, wie im Paradies wähnen muss.

Doch hier beginnt auch das Problem des unvorbereiteten Zuhörers. Man wird gefüttert und gefüttert, immer das Gleiche, in unterschiedlichen Dosen, mal zart, süß und leise, mal dynamisch anschwellend, immer mehr wollend, bis einem mit voller Lautstärke und Intensität das Maul vollgestopft wird. Dann wird einem abrupt die große Portion entzogen, man darf  aber weiterhin (leise) an der Zuckerwatte herumknabbern. Diese Beschreibung soll deutlich machen, wie das akustische Konsumverhalten über eineinhalb Stunden gesteuert wurde. Musikalische Substanz, die man im klassischen Sinn als musikalische Entwicklung eines Gedankens erwartet wie Verarbeitung von Themen und Motiven: Fehlanzeige. Sie ist in Einaudis Konzept wohl auch nicht vorgesehen. Dagegen zieht sich der zugegeben charmante Sound mit sich immer wiederholenden Sequenzen, wie ein Perpetuum mobile auf drei oder vier Tonstufen in die Länge, bis man entweder aufhört zuzuhören, weil man ja mit dem genussvollen Konsumieren des süßlichen Sounds beschäftigt ist, oder das Zuhören wird zu einer ernsten Belastungsprobe für den Konzertbesucher, der von Musik mehr erwartet als den immerwährenden Soundgenuss.

Was findet der Zuhörer hier, was er woanders nicht bekommt?

Man muss einmal hinterfragen, warum solche Musik ein ausverkauftes Haus beschert. Was findet der Zuhörer hier, was er woanders nicht bekommt? Der Applaus war stark, laute Bravorufe haben sicherlich ihre Berechtigung aus Sicht der begeisterten Zuhörer. Aber sind sie nicht einfach einer Masche Einaudis aufgesessen, der sehr geschickt, manipulativ, aber  durchaus einfühlsam wohlklingende Dur-Moll-Harmonien – gewürzt mit Dirty-Tones – minimalistische Tonfolgen und eine permante Schoko-Sound-Soße über seine Zuhörer gießt? Eineinhalb Stunden ohne Pause plus Zugaben! Hoffentlich gab es nur wenige, denen die süße Zuckerwatte und die Schoko-Soße auf den Magen geschlagen ist.