Ein Lauf zum Meer ohne Handlung

Dramatisiertes Williamson-Gedicht prominent besetzt.

Düsseldorf. Was Thorsten Lensing und Jan Hein, Regisseure der bekannten freien Theatergruppe "Theater T1", an diesem Text als dramatisch empfunden haben, bleibt ihr Geheimnis. William Carlos Williams, laut Hans Magnus Enzensberger der "Erzvater der amerikanischen Poesie", hatte ihn nicht als Theaterstück geplant.

Für ihn war "Der Lauf zum Meer. Ein Idyll" der Beginn des vierten Buches seines Langgedichts "Paterson". Mit prominenter Besetzung haben Lensing und Hein den Text trotzdem für die Berliner Festspiele inszeniert, jetzt konnte man die Performance im Forum Freies Theater (FFT) bewundern.

Charly Hübner - zuletzt hat man ihn im Kino in "Krabat" gesehen - ist Paterson und hat nicht viel zu tun. Oft sitzt er in der hinteren linken Bühnenecke, liest Zeitung, raucht. Er spielt den verheirateten Liebhaber von Phyllis, die von Katharina Schüttler als vermeintliches Landei gegeben wird. Schüttler wurde 2006 von den Kritikern der Zeitschrift "Theater heute" zur Schauspielerin des Jahres gewählt.

Dritte im Bunde ist die in den Niederlanden und Belgien bekannte Schauspielerin Viviane de Muynck. Sie spielt Corydon, eine ältere Dame, der Phyllis als Masseurin dient. De Muynck ist das krasse Gegenteil vermeintlicher oder auch nicht vermeintlicher Unschuld. Ihr fülliger Leib, ihre rauchige Stimme, ihr Gurren und Zwitschern, ihr kehliges Lachen erzählen von einem an Erfahrungen reichen Leben.

Ab und zu darf Paterson nach vorne kommen, an Phyllis herumgrabschen. Sie lässt das kalt, da kann Hübner auch nur in roten Socken vor ihr stehen. Und auch der Schüttler abverlangte Exhibitionismus - ein offener Knopf im Kleid gibt den Blick auf ihre Scham frei - führt nicht zur Aufheizung der Beziehung.

Vom Sex, den die beiden angeblich haben, ist nur in den Erzählungen Corydons die Rede, während ihre Begegnungen auf der Bühne folgenlos bleiben. Und damit ist auch schon die ganze Nicht-Handlung erzählt.

Warum schaut man dem 75 Minuten lang und nicht einmal gelangweilt zu? Unter anderem, weil auch noch diese drei mitwirken: Jean Paul Bourelly (E-Gitarre), Willi Kellers (Schlagzeug) und Gilbert Diop (Perkussion) improvisieren während der ganzen Zeit.

Ihr Fusion-Jazz ist mal dominant, dann wieder zurückhaltend. Höchst gelungen verweben sich Musik und Sprache miteinander, finden zu einem gemeinsamen Rhythmus. Dann wird plötzlich die Bühne dunkel - das überraschende Ende einer Performance, die sich genauso gut hätte fortsetzen können.