Eine handkolorierte Idylle

Kunstverein: Der Fotokunst-Pionier der kanadischen Avantgarde, Ian Wallace, erhält eine Einzelausstellung am Grabbeplatz.

Düsseldorf. Vancouver ist das Hollywood Nordamerikas und ein Zentrum der Fotokunst. Ian Wallace (65), einer der wichtigsten Konzeptkünstler, Lehrer von Stars wie Jeff Wall und Rodney Graham, erhält im Kunstverein die längst fällige Schau, in Kooperation mit Rotterdam und Zürich.

Die Ausstellung beginnt mit einer früheren Arbeit, dem Bilderfries "Lookout" ("Sieh hinaus", 1979). Wallace zeigt Fotos der paradiesischen Insel Vancouver Island sowie Künstlerfreunde, die als Versatzstücke im Grünen montiert sind. Der Betrachter reagiert auf dieses Panorama mit leichtem Schmunzeln, denn die Farben sind handkoloriert. Zum Verständnis dieser altmodischen Technik muss man wissen, dass es Ende der 70er Jahre noch nicht möglich war, große Farbabzüge zu machen und Personen in die Fotos zu scannen.

Es ist die Zeit vor der Digitalkamera. Wallace holte sich die Freunde zunächst ins Atelier, machte Vorstudien in Dias, filmte die Projektionen ab, zeichnete, fotografierte und probierte aus, wie die Menschen in der Natur erscheinen würden. All die Arbeitsabläufe lassen sich in der Ausstellung verfolgen. Schließlich fotografierte er die Collage-Teile schwarzweiß und kolorierte sie per Hand. Das gibt dem Bild diese merkwürdige Verfremdung, diese Distanz. Wir haben eben kein Abbild mehr vor uns, sondern eine Idylle, der wir nicht ganz trauen. Die Schönheit ist nicht ganz geheuer.

Das Panorama ist aber noch mehr als nur eine exzellente Einführung in die Arbeitsweise dieses Protagonisten der konzeptuellen Fotografie. Es ist auch ein Zeitdokument. Wir sehen auf dem Bild die Stars der späteren Fotoszene, Jeff Wall als jungen Mann mit langem Haar und Rodney Graham mit rotem Hemd, während seine Schwester wie ein Romantik-Zitat mit der Hand die Augen beschirmt, als blicke sie sehnsüchtig in die Ferne.

Warum die Künstlerfreunde nie Vancouver verließen, wird in Wallaces Aufnahmen deutlich: Die Rocky Mountains liegen in der Ferne, der Pazifik vor der Tür. Die Luft ist rein, der Himmel strahlend. Die Bilder sind in einem wunderbaren Rhythmus komponiert, den Wallace verstärkt, indem er zwischen die auf Leinwand aufgezogenen Bilder monochrome Flächen malt, so dass die Motive zu schwingen scheinen. Der Künstler hat seine Magisterarbeit über Piet Mondrian geschrieben und ist noch heute ein Fan der abstrakten Malerei.

Die Hommage an Mondrian wird im Foyer deutlich. Dort sieht man Bilder der See und der Dünen von Domburg, wo Mondrian gelebt und gewirkt hat. Der scheinbar unauflösbare Gegensatz von Fotografie und Malerei ist nicht vorhanden. Wallace vergleicht das Verhältnis zwischen Fotografie und Malerei mit dem der Geschlechter: "Die Gegensätze zwischen Mann und Frau bedingen einander."