Düsseldorf Er France kultiviert den eigenen Sound
Der Düsseldorfer Band ist mit „The Great Escape“ ein stimmiges Album mit viel Herzblut gelungen.
Düsseldorf. Sie haben das Heft des Handelns erstmals aus der Hand gegeben. Ein wenig nur. Aber doch so weit, sagt André Tebbe, dass es für Musiker mit Indie-Hintergrund fast schon problematisch sei. Tebbe ist Mitgründer von Düsseldorfs Band Er France. Deren Musik sind Indie-Pop und Indie-Rock. Und der Begriff „Indie“ kommt wiederum vom englischen Wort „independent“. Das bedeutet „selbstständig“ und bezeichnet Musik abseits des Massengeschmacks. Musik, die von der Komposition bis zur Aufnahme in Eigenregie zusammengebastelt wurde und gerade dadurch als künstlerisch wertvoll gilt.
Da kann man also nicht so einfach die Kontrolle abgeben, wie es Er France bei ihrem neuen Album „The Great Escape“ taten. „Eigentlich“, sagt Tebbe beim Interview im Bilker Proberaum der Band. Denn er weiß selbst: Ein Künstler muss auch mal neue Wegen gehen. Sich weiterentwickeln. Das geht manchmal am besten mit fremder Hilfe. „Und wir haben es geschafft.“ Die Band sei nach den ersten Aufnahmen überhaupt unter der Leitung eines Produzenten — Klangmeister war Bodo Staiger, der schon als Musiker einst beste Verbindungen zu Kraftwerk und La Düsseldorf unterhielt — besser als zuvor, sagt der Gitarrist. Und wer „The Great Escape“ hört, der muss das bestätigen. Der Blick des Mannes von draußen auf die Arrangements, sein Griff zu den Reglern haben sich gelohnt. Sängerin Isabelle Frommer etwa ist überzeugt: „Ich singe jetzt besser.“ Und Tebbe betont: „Ich habe nach der Aufnahme ein anderes Bewusstsein und Gehör für unsere Musik.“
Staiger hat Er France hörbar nach vorne gebracht mit seinen Ideen. Die neuen Songs sind das, was man gemeinhin „auf den Punkt“ nennt: Klare und scharfe Gitarren. Ein weicher, treibender Bass als Teppich. Schlagzeugbeats, die da, wo bei Er France früher der Computer zum Einsatz kam, knallen und punktgenau sitzen. Keyboards, mit deren Sound nicht inflationär umgegangen wird, sodass die Songs atmen können und knackig klingen. Es passt alles. Die Stücke sind schlüssig und homogen — was früher nicht immer der Fall war.
Er France kultivieren ihren eigenen Sound. „Wir haben uns Bodo allerdings auch verweigert, wenn wir etwas partout nicht wollten“, sagt Tebbe. Und grinst dabei ziemlich frech. Es ist das Selbstbewusstsein einer Band, die schon viel erlebt hat und jetzt da abgekommen ist, wo sie immer hin wollte. Drei Alben gab es bislang seit 2002: Das erste als Duo mit rein elektronischer Musik. Das zweite als Duo mit Schlagzeuger. Das dritte als das erste Album mit Band. Und jetzt eben — auch dank Bodo Staiger — erstmals eine live und ohne Schnickschnack eingespielte Platte, auf der Er France ihr Potenzial, die Schönheit der Melodie, voll ausspielen, ohne dass etwas ablenkt.
„The Great Escape“ lässt aufhorchen. Die Düsseldorfer Macher des „Aktion Rheinland“-Samplers, der zu Beginn des Jahres als Projekt gegen rechte Gesinnung in der ganzen Stadt für Aufsehen sorgte, hatten Er France ja auch nicht umsonst auf dem Schirm und packten ihren aktuellen Song „Le pont rouge“ mit auf die CD.
Dort steht die Band und ihr Sound mit Anleihen an Punk, Wave, Postpunk und Pop seitdem gleichberechtigt neben Düsseldorfer Granden wie den Toten Hosen, den Broilers oder den Krupps. Ein Fingerzeig? Durchaus. Immerhin haben Er France all das geschafft, obwohl sie auch mal einen anderen im Heft des Handelns mitschreiben ließen.
Wirklich gute Bands kann eben nichts und niemand schlecht machen. Nur besser.