Gerbrand Bakker beim Literarischen Sommer Dramatische Geschichte einer Flugzeugkatastrophe

Düsseldorf · „Der Sohn des Friseurs“ heißt der neue Roman von Gerbrand Bakker. Während der Lesung im Kap 1 lüftete er manches Geheimnis.

Der niederländische Schriftsteller Gerbrand Bakker.

Foto: picture alliance / Jan Vetter/Jan Vetter

Der Schriftsteller Gerbrand Bakker hat sich für seine Zwecke einen Schriftsteller erschaffen. Einen, den er einfach alles fragen kann. Und der ihm kluge Tipps zum Verfassen von Romanen gibt. Der vor allem nicht widerspricht, wenn Bakker sich nicht daran hält. Um die Distanz zu wahren, hat Bakker ihn zum Großvater seines Protagonisten gemacht. Andererseits stört es den realen Autor nicht, wenn der fiktive ihm in vielem sehr ähnlich ist.

„Gestern in Dormagen hatte er es noch nicht“, sagte Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW, als Gerbrand Bakker im Kap 1 seinen neuen Roman „Der Sohn des Friseurs“ vorstellte. Gemeint war ein großes Pflaster auf der holländischen Autoren-Nase. Der Schriftsteller ist auf Lesereise, nach Dormagen und Düsseldorf wird er im Rahmen des Festivals „Literarischer Sommer“ demnächst auch noch in Aachen vor sein deutsches Publikum treten. Aber über seine Nase wird er auch dort nicht sprechen, der Grund für das Pflaster wird also sein Geheimnis bleiben.

In Bakkers Roman erklärt der fiktive Schriftsteller dem Protagonisten Simon, wie Spannung entsteht: eine Geschichte nie zu Ende erzählen, immer rechtzeitig abbrechen und das Ende offenlassen. Er weckt damit Simons Interesse an seiner eigenen Geschichte. Simons Vater ist angeblich bei einem Flugzeugunglück auf Teneriffa ums Leben gekommen. Das Unglück gab es wirklich. Im Jahr 1977 kollidierten auf dem damals noch einzigen Flughafen Los Rodeos zwei Jumbojets. Es war mit über 500 Toten eine der größten Katastrophen der Luftfahrtgeschichte.

Mithilfe seines Schriftstellerfreundes erforscht Simon alle Details, so wie es Gerbrand Bakker selbst getan hat. „Ich bin aber nicht zum Ort des Unglücks geflogen, der Umwelt zuliebe“, erklärte er bei seiner Lesung. Doch die sechs Sekunden, die vergehen, bis aufgrund eines Pilotenfehlers zwei Riesenflugzeuge ineinander krachen, hat der Autor in seinem Roman ungeheuer spannend ausgestaltet.

Simons Vater war da aber nicht mehr an Bord, daraus macht Bakker als realer Autor kein Geheimnis.

Er hatte sich bei dem Zwischenstopp auf Teneriffa dazu entschieden, nicht zum ursprünglichen Ziel Las Palmas weiterzufliegen. Im letzten Teil des Romans taucht eine Figur auf, die der Vater sein könnte.

Gerbrand Bakker sei ein Star des Deutsch-Niederländischen Literatursommers, weil er so gut deutsch spricht, erklärte Maren Jungclaus. Tatsächlich wohnt der Autor sowohl in Amsterdam als auch in der deutschen Eifel. „In einem Dorf mit sieben Häusern. Die Bewohner sehe ich kaum, würde sie aber sowieso nicht verstehen, denn sie sprechen Moselfränkisch. Und das zu lernen, habe ich keine Lust“, fügte der polyglotte Autor hinzu.

Bakker selbst sorgte dafür, dass man bei seiner Lesung manches über sein Leben erfuhr, mehr aber dennoch ein Geheimnis blieb. Er wuchs auf einem Bauernhof auf, arbeitete als Übersetzer von Untertiteln für Naturfilme, er war Eisschnellläufer und hat ein Diplom als Gärtner.

Das Autofiktionale sei genau „sein Ding“, sagte er. Und den „Sohn des Friseurs“ wolle er den Hinterbliebenen des Flugzeugunglücks widmen, die – wie bei allen Katastrophen – schnell in Vergessenheit geraten. Der mit zehn erfolgreichen Romanen international bekannte Autor ist selbst ein Hinterbliebener. Als er sieben Jahre alt war, kam sein Bruder ums Leben. Wie sehr die Trauer darüber noch heute in ihm steckt, erlebte Bakker bei einer Lesung in Istanbul. Eine diesbezügliche Frage aus dem Publikum brachte ihn auf offener Bühne zum Weinen.