Kunstsammlung-Chefin Ackermann "Ich habe Helge Achenbach für seine Großzügigkeit geschätzt"

Die Chefin der Kunstsammlung, Marion Ackermann, gibt sich nach dem Fall Achenbach neue Regeln. Sie hinterfragt im Interview mit der WZ den Kunstmarkt und sogar das Google-Netz.

Foto: Kunstsammlung

Düsseldorf. Kunst ist zur Trophäe geworden. Kunstberater Helge Achenbach drehte am zu großen Rad und büßt nun im Gefängnis dafür. Was aber machen die Museen, die häufig die großen Galerien zu Partnern haben? Wir sprachen mit Marion Ackermann.

WZ: Ein Museumsmann behauptete neulich: Wenn wir den Leumund aller Sponsoren abklären müssten, würden wir kein Geld bekommen. Wie machen Sie das?

Ackermann: Es ist im Moment besonders wichtig, dass man sich eine klare ethische Grundhaltung zulegt. Dies betrifft auch den Umgang mit Sponsoren. Gerade zwischen Kunst und Kapital gibt es ganz viele Grenzbereiche.

Wie war Ihr Verhältnis zu Helge Achenbach?

Ackermann: Ich habe ihn für seine Großzügigkeit geschätzt. Er hat viel gegeben bei Heartbreaker. Diese Auktionen der Aids-Hilfe hat er mit aufgebaut. Aber wir haben nie etwas von Achenbach angenommen oder vermittelt bekommen. Mich schützt meine preußische Erziehung mütterlicherseits.

Nehmen Sie Leihgaben an?

Ackermann: Da lasse ich Strenge walten. Wir bekommen viele Angeboteaus dem amerikanisch-britischen Raum für zwei Jahre, als Steuersparmodell. Hier in Deutschland sind es immer zehn Jahre. Wir haben ganz wenig Leihgaben im Haus, darunter das Bacon-Triptychon eines Privatsammlers aus Mönchengladbach. Er gibt es uns auf Lebenszeit. Wir nehmen kaum Leihgaben an, weil wir sagen: Quantität ist kein Kriterium.

Gibt es Problemfälle?

Ackermann: Um ein Beispiel zu nennen: Es werden zunehmend Werkverzeichnisse von kommerziellen Galerien finanziert, die aber teilweise keine Werke aufnehmen, die nicht über ihre Galerie vertrieben worden sind. Aber viele Museen der Welt können sich gar nicht mehr dagegen wehren, weil diese Galerien wichtige Sponsoren ihres Ausstellungsprogramms sind. Das gilt vor allem in Großbritannien und in Amerika. Da sind wir noch ziemlich autonom, was die Freiheit der Wissenschaft betrifft.

Welche Ziele haben denn Sponsoren?

Ackermann: Wir beobachten zunehmend, dass sienicht etwa nur an Blockbuster-Ausstellungen mit großen Namen interessiert sind, sondern dass sie Zugang zu den künstlerischen Bereichen, zum Kreativen, suchen. Mit der Wirtschaftskrise spüren sie, dass die kulturelle Bildung das Beste ist, um die Menschen auf eine unsichere Zukunft vorzubereiten, um junge Menschen zu Visionären zu machen. Im Zulassen des Unberechenbaren sind wir geübt. Das wird in Zeiten der Krisen plötzlich als große Kompetenz erkannt.

Was für eine Rolle hat das Museum in der Gesellschaft?

Ackermann: Angesichts des „Kulturkampfes“ um Kunstverkäufe aus öffentlichem Besitz in NRW ist die Wahrung des Geschichtsbewusstseins wieder als zentrale Aufgabe der Museen hervorgetreten!

Wie verhalten Sie sich konkret zum Markt?

Ackermann: Ich finde es wichtig, im Museum auch marktferne Künstler auszustellen. Manche Künstler schaffen exzellente Werke, aber die „passen“ nicht auf die Messen. Zvi Goldstein war ein marktferner Künstler. Im nächsten Jahr werden wir Dominique Gonzalez-Förster zeigen. Sie macht Räume, Performances, Zustände. Christoph Büchel kommt demnächst. Beide Künstler sind nicht „markttauglich“.

Sie gehören zur Bizot-Gruppe. Was ist das?

Ackermann: Es ist eine Gemeinschaft von 50 internationalen Museumsleitern, davon 23 aus Europa. Außer mir gibt es noch vier weitere deutsche Mitglieder. Uns fällt auf, dass die europäischen Museen ganz andere Wertvorstellungen haben als die amerikanischen, asiatischen und russischen. Und innerhalb der Europäer haben wir Deutschen noch einmal eine Sonderstellung. Wir suchen eine Distanz zum Markt, zur Ökonomie, zur Politik. Das spielt weniger eine Rolle bei den anderen Museen; sie haben gar nicht dieses Problembewusstsein.

Sie diskutieren in Ihrem Haus den Umgang mit der Digitalisierung. Worum geht es da?

Ackermann: Es geht um die Grundfrage, was für eine Bedeutung das Original im digitalen Zeitalter hat. Also, kommt es einer Sammlung zugute, wenn sie wie die Mona Lisa vorher weltweit ausgestreut wurde? Macht man einen Vertrag mit einem kommerziellen Unternehmen wie dem Google Art-Projekt, um die eigenen Werke in das weltweite Google-Netz einzuspeisen? Bisher habe ich mich dagegen entschieden.

Warum?

Ackermann: Wir haben uns intensiv mit ethischen Fragen und alternativen digitalen Zugängen beschäftigt. Welchem Netzwerk schließen wir uns an? Dem zu 90 Prozent marktbeherrschenden Google oder Facebook, die mit Werbung usw. arbeiten? Oder suchen wir nach Netzwerken, die eine bestimmte Haltung vorgeben, die uns gefällt? Wir dürfen aber nicht vergessen: Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Die kommerziellen Netzwerke sind vielfach die Retter für die Künstler in zensierten Ländern. Aber was für eine digitale Strategie verfolgen wir mit den begrenzten Mitteln, die wir haben? Diese zu formulieren, ist eine wichtige Aufgabe in den nächsten Monaten.