„Ich will diese Ballettkunst“

Martin Schläpfer steuert von Düsseldorf aus die Weltspitze an: Das neue Balletthaus bietet dazu die Chance.

Das neue Balletthaus soll spätestens zu Beginn des Jahres 2015 am Steinberg in Bilk dem Ballett am Rhein zur Verfügung stehen. Damit hat Düsseldorf neben der Oper und dem Tanzhaus NRW in Zukunft eine dritte Stätte für Tanz mit Strahlkraft. Durch den Chefchoreographen der Oper, Martin Schläpfer, ist der Fokus in Sachen Tanz ohnehin sehr viel deutlicher auf Düsseldorf gerichtet. Schon jetzt gilt die Landeshauptstadt neben Hamburg und München als einer der zentralen Orte in Deutschland, an welchem richtungsweisende Produktionen entstehen.

Die Kulturstiftung des Bundes quittierte diese Erfolgsgeschichte, indem sie nach Berlin und Hamburg jetzt Düsseldorf als Veranstaltungsort für den Tanzkongress auswählte. Morgen wird er eröffnet, und wenn Schläpfer am Sonntag über das Ballett des 21. Jahrhunderts spricht, ist das die Regierungserklärung eines Künstlers, der sich vorgenommen hat, in den nächsten sechs Jahren die Weltspitze des Tanzes zu erreichen.

Herr Schläpfer, stellen Sie sich vor, das Balletthaus ist fertig. Wir treten durch die Eingangstür — welches Treiben sehen wir, was ist das für ein Ort?

Martin Schläpfer: Ich habe noch kein konkretes Bild oder Pläne. Ich bin eher dabei, wieder Distanz einzunehmen. Die Entscheidung für das Balletthaus wurde ja stark vorangetrieben. Sie war unbedingt notwendig für die Tänzer und alle Mitarbeiter. Dem Oberbürgermeister und Herrn Lohe bin ich sehr dankbar für ihr Engagement. Gleichzeitig erhoffe ich mir von einem Investor, dass er einen Ort der Kunst erschafft. Ein solcher muss mit einer gewissen Allüre (Esprit, Verrücktheit) gebaut werden und darf nicht nur funktional sein.

Welche Vorteile bringt das Balletthaus für Ihre alltägliche Arbeit?

Schläpfer: Zunächst einmal sitzen mein Team und ich näher beieinander. Das erleichtert die Arbeitsprozesse ungemein. Es wird mehr und größere Studios geben, dadurch kann ich die Zeitsegmente der Proben vergrößern. Hinzu kommt, dass ich mich als Chef bislang immer zurückgenommen habe, wenn eine Premiere mit Gastchoreografen stattfand. Ich habe ihnen mehr Platz als mir zum Arbeiten überlassen. Raum ist unendlich wichtig für die choreografische Tätigkeit und natürlich für die Tänzer. Auch psychologisch.

Martin Schläpfer

Sie werden an Ihrer neuen Wirkungsstätte zwei Probebühnen jeweils vom Ausmaß der großen Bühne im Opernhaus haben. Sie können dann ja künftig zur Premiere acht Stücke aufführen.

Schläpfer (lacht): Nun ja, ich mache ja schon vier Premieren pro Spielzeit. Das ist schon sehr viel und deutlich mehr, als vor meiner Zeit in Düsseldorf realisiert wurde.

Werden am Steinberg auch öffentliche Vorführungen stattfinden?

Schläpfer: Nein, das können wir gar nicht leisten. Wir bräuchten Sicherheitspersonal, Garderobenkräfte und vieles mehr, ein eigenes kleines Theater können wir nicht bespielen.

Im Augenblick sitzen Sie in relativ dunklen Räumen in Niederkassel. Werden Sie angesichts der künftig besseren Arbeitsbedingungen Ihre Produktionen verändern?

Schläpfer: Wenn die Umgebung sich ändert, werden auch die Stücke anders eingefärbt. Gute Probebedingungen sind immens wichtig für eines konzentriertes Arbeiten.

Und das hilft auf dem Weg zur Weltspitze, die Sie ja anstreben.

Schläpfer: Es ist Zeit loszulegen. Man ist schnell ein ,local hero’, und das ist sehr schön. Jedoch müssen wir dringend auf den Zug aufspringen. Ich bin 54 Jahre alt und investiere jetzt meine stärksten Jahre. Ich bin nicht jemand, der sagt, alles ist toll. Stattdessen habe ich mich gefragt: Wie verbringst du die Jahre ab 54. Als ich 2009 nach Düsseldorf kam, habe ich zwei Jahre lang geackert, um das Publikum zu gewinnen, im dritten Jahr wurde ich unzufrieden. Und als im vierten Jahr unklar war, was wird, mit der Opernehe und mit dem Ballett-haus, da dachte ich, b. 16 mit Schubert am 5. Juli ist meine letzte Premiere in Düsseldorf. Jetzt aber habe ich die Chance, weiterzugehen. Das ist fantastisch.

Sie bringen bei Ihren Ballettabenden die Großen der Vergangenheit auf die Bühne — Werke von Balanchine zum Beispiel. Zugleich festigen Sie Ihre eigene Handschrift. Auf welches Ziel steuern Sie zu?

Schläpfer: Ich hoffe, dass es mit mir und meinen Stücken weiter aufwärts geht. Ich bin klarer in mir selbst. Selbstsicherer. Das ist wichtig, um dem Gegenüber ausreichend zu begegnen. Zumal ich auch jemand bin, der Gefahr läuft, Zweifel zu züchten. Mein Ballett ist kein eingängiges Ballett. Es gibt anderen zeitgenössischen Tanz, der mehr Euphorie auslöst. Aber mein Wille ist, den internationalen Raum mit meiner Arbeit zu durchtränken.

Martin Schläpfer

Sie sprechen am Sonntag auf dem Tanzkongress über das Ballett des 21. Jahrhunderts. Klingt fast nach einer Regierungserklärung.

Schläpfer: Die Botschaft ist: Ich will diese Ballettkunst. Und ich hoffe, dass ich so reifen kann, dass ich es nicht nur hinüberrette, sondern dass ich es zukunftswürdig gestalten, einen Tänzertypus prägen kann.