Jüdische Kulturtage: Lily Brett - Die Sache mit den Klöpsen
Die New Yorker Schriftstellerin Lily Brett las im Palais Wittgenstein aus ihrem Roman „Chuzpe“.
Düsseldorf. Der Blick in die Zuschauerreihen im Palais Wittgenstein dürfte Lily Brett gefreut haben. Saßen dort am Montagabend doch zahlreiche junge Leute, die die New Yorkerin im Rahmen der Jüdischen Kulturtage erleben wollten. Jene Generation von Deutschen, die der Autorin so viel Vertrauen in das Land zurück gegeben haben, das durch den Holocaust und das Leid ihrer Eltern zerstört schien. "Ich habe gesehen, dass wir durch eine gemeinsame Geschichte aneinander gekettet sind und dass Deutschland ein Land mit sehr intelligenten und einfühlsamen Menschen ist", zeigte sich Lily Brett in einem Interview von den Erfahrungen ihrer Lesereisen begeistert.
1946 im deutschen Feldafing als Tochter zweier Auschwitz-Überlebender geboren, in Australien aufgewachsen, wurde Lily Brett als Schriftstellerin berühmt, die über New Yorker Neurosen und innig-problematische Familienbande schreibt, das Schicksal ihrer jüdischen Eltern dabei nie aus den Augen verlierend. Unverwechselbar in ihrer sanften Ironie, dem liebevollen Grundton und einem Blick fürs Skurrile, hat Lily Brett sich mit ihren Romanen in Deutschland eine große Fangemeinde erschrieben. Auch ihr neuester Roman "Chuzpe" (Suhrkamp, 2006) folgt diesem Tenor und beschreibt eine Vater-Tochter-Beziehung vor dem Hintergrund der KZ-Erfahrung.
Aus jenem Roman las die 50-Jährige nun ein Kapitel auf Englisch. Die Stimme beim ersten Hören dunkler als erwartet, die Haare heller als auf den Fotos, zurückhaltend-freundlich, unaufdringlich -warmherzig - so präsentiert sich die dreifache Mutter dem Düsseldorfer Publikum. Zierlich sieht sie aus, wie sie hinter dem Mikrofon sitzt, sich die schwarze Brille, das Wasserglas und den Stuhl zurecht schiebt und den Blick neugierig durch die Reihen streifen lässt.
Ihre Aussprache ist so sorgfältig wie die Auswahl ihrer Worte, die Lily Brett ruhig und ohne auffällige Betonung liest. Der Humor tröpfelt fast unbemerkt aus diesen Zeilen, doch wenn die Zuhörer ihn auffangen, geht ein Kichern durch den Saal. Dann schaut die sympathische Autorin von ihrem Manuskript auf, lächelt und fügt mit kaum merklicher Ironie hinzu: "That’s New York!", wobei sie eher "Nju-Ork" sagt. Als in der Folge die Übersetzerin Judith Rosmair ein weiteres Kapitel auf Deutsch liest, gewinnt der Abend an Fahrt. Temperamentvoll mit einem Gespür für Pointen und eine wundervolle Stimmgebung, erweckt sie die Figuren um die Protagonistin Ruth Rothwax und ihren Vater Edek zum Leben.
Geboren 1946 als Lilijahne Breitstein oder auch Luba Brajsztaijn in einem bayerischen Lager für "Displaced Persons" in Fildafing. Ihre Eltern hatten im Ghetto von Lodz geheiratet, wurden im KZ Auschwitz getrennt und fanden sich erst nach sechs Monaten wieder. 1948 emigrierte die Familie nach Australien.
Karriere Mit 19 Jahren begann Lily Brett für ein australisches Rockmagazin zu schreiben und interviewte u.a. Jimi Hendrix, The Who und die Rolling Stones. In regelmäßigen Wochenkolumnen der "Zeit" hat sie ihre neue Heimat New York porträtiert.
Bücher Bekannt wurde sie in vor allem durch ihren Roman "Einfach so" (1998). Es folgten "Zu viele Männer" (2002), "Tagebuch einer Reise" (2001), "Von Mexiko nach Polen" (2003) und "Chuzpe" (2006).