Idomeni Max Brugger: Fotokunst aus dem Flüchtlingscamp

Das unbeirrte Für-jemand-anderen-Einstehen beeindruckte Student Max Brugger. Auch deswegen reiste er nach Idomeni.

Das Foto entstand im Mai 2016 in Palikastro nahe Idomeni. Der Organisator der Kochgruppe „Hot food Idomeni“ dankt freiwilligen Helfern für ihr Engagement. Sie hatten über Wochen mehrere tausend Menschen bekocht.

Foto: Max Brugger

Düsseldorf. Max Brugger traf Marc im Mai vergangenen Jahres in einem der Flüchtlingslager nahe Idomeni. Er hatte gerade seinen Lehrerjob in Barcelona gekündigt und seine Wohnung aufgelöst. Und er hatte seinen großen Traum aufgegeben — eine Weltreise, für die er drei Jahre lang Geld zurückgelegt hatte. Der persönlichen Sehnsucht jedoch kam die Not der Menschen in die Quere, die vor Krieg und Hunger geflüchtet waren. Marc beschloss, sich für sie einzusetzen — und so flossen all seine Ersparnisse in die Flüchtlingshilfe. Der Urlaub würde warten müssen.

Max Brugger, 25, Student.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Menschen wie Marc traf der 25 Jahre alte Max Brugger viele im nordgriechischen Idomeni. Dieses unbeirrte Für-jemand-anderen-Einstehen hatte er, obwohl selbst seit Jahren politisch aktiv, in dieser Dimension noch nicht erlebt.

Am Gemeinschaftsraum lässt sich die Toleranz der Helfer ablesen: Privatsphäre? Fehlanzeige. Es hieß unmissverständlich: zusammenrücken.

Designstudent dokumentiert Arbeit der Helfer in Flüchtlingscamps in Idomeni
26 Bilder

Designstudent dokumentiert Arbeit der Helfer in Flüchtlingscamps in Idomeni

26 Bilder

Mit diesem Fotomotiv würde es wohl gehen, dachte Brugger, der nach Idomeni fuhr, um zu helfen und um zu fotografieren. Drei Tage lang waren seine Bilder jetzt auf dem Campus der Hochschule Düsseldorf zu sehen. In einem gemieteten UNHCR-Zelt hatte er die Prints seiner Aufnahmen auf Tische genagelt. Die Raumhöhe war nicht gemacht für eine Wandhängung und sollte es auch nicht sein. Die Besucher sollten wenigstens eine Ahnung davon bekommen, wie sich das Minimum an Schutz anfühlt, das den Geflüchteten in Lagern wie denen in Idomeni geboten wird. Dazu spielte Brugger Interviews ab, die er mit den Helfern aus aller Welt geführt hatte. Seine Professorin Mareike Foecking, an der Hochschule Düsseldorf zuständig für den Fachbereich Fotografie, hatte ihm nach seinem ersten Aufenthalt in dem Camp gesagt: Fahr noch mal hin, macht den nächsten Schritt, geh tiefer. Auch deswegen gibt es die Interviews zu den Fotos.

„Ich wollte es vermeiden, die ewig reproduzierten Aufnahmen von kleinen Kindern mit großen dunklen Augen vor Stacheldraht zu machen“, sagt Brugger. Stattdessen zeigt er die Arbeit derjenigen Helfer, die sich wie Marc aus Barcelona auf eigene Faust aufgemacht haben nach Idomeni und die nur diesen einen Alltag kennen. „Das ist der Unterschied zu den Nichtregierungsorganisationen“, sagt Brugger. „Deren Mitglieder arbeiten in Idomeni für die Geflüchteten. Menschen wie Marc leben mit den Geflüchteten.“ Brugger kommt aus einem politischen Elternhaus. „Meine Mutter gehörte der 68er-Bewegung an. Sie hat mir beigebracht, dass ich mich selbst umschauen muss, um die Begebenheiten kritisch zu analysieren.“ Der Sohn ging früh auf Demos und begann zu fotografieren. „Anfangs habe ich einfach drauflosgeknipst, dann wollte ich aber wissen, wie man gute Fotos richtig vorbereitet.“

Nur mal eben durchsacken: Eine Helferin gönnt sich eine kurze Zigarettenpause.

Nach dem Realschulabschluss hatte er sich in Fotostudios um einen Ausbildungsplatz beworben, jedoch entsprachen seine Aufnahmen von politischen Aktionen nicht den allgemeinen Vorstellungen. Also holte er sein Fachabitur nach und begann Kommunikationsdesign an der Hochschule Düsseldorf zu studieren, mit dem Schwerpunkt Fotografie.

In einem UNHCR-Zelt spielen Frauen mit Kindern der Geflüchteten. Ein Moment der Unbeschwertheit.

Brugger ist im sechsten Semester und entwickelt gerade seine eigene Bildsprache. Seine Tutorenarbeit bei Künstlerin und Professorin Mareike Foecking und vor allem seine Erfahrungen in Idomeni sind dabei eine wichtige Unterstützung. „Ich habe in Idomeni gesehen, wie Europa die Geflüchteten im Stich lässt, während einige wenige alles aufgeben, um zu helfen. Mit meiner Fotoarbeit will ich meinen Beitrag dazu leisten, dies zu dokumentieren und um mehr Unterstützung zu bitten.“