Kultur Kompakt Riesen-Smartphones aus Gips in ausgedienter Toilette

Düsseldorf · Wanda Koller zeigt Mini-Ausstellung im „Reinraum“.

Bildhauerin Wanda Koller (l.) und Kuratorin Paulina Seyfried vor gipsernen Smartphones im „Reinraum“.

Foto: ja/Frank

Im Reinraum unterhalb des Jahnplatzes: Zwischen Urinalen, gelben Kachelwänden und rot-weiß gefliestem Boden stehen, liegen und lehnen sechs große Platten in unterschiedlichen Farben. 1,40 Meter lang, 70 Zentimeter breit. Weiß, hautfarben, grau oder rostrot. Die Farben erscheinen ausgeblichen, abgeschabt und abgekratzt. Gebrauchsspuren oder cooler Used-Look? Die acht Kilo schweren Objekte erinnern zunächst an Schneidebretter oder Brettspiele. Blickt man genauer hin, ist die Smartphone-Optik unverkennbar: Eingeritztes Display, Lautsprecher oben, „Home-Taste“ unten. Die Bildhauerin Wanda Koller hat die Riesen-Handy-Installation eigens für den größten Raum in der einstigen unterirdischen Toilettenanlage geschaffen. Kuratorin Paulina Seyfried hat mit der 31-Jährigen die Mini-Schau initiiert. Koller hat das Mobiltelefon im Maßstab extrem vergrößert, aus Alabaster-Gips geformt und mit Eisenoxiden gefärbt.

Unbehagen keimt auf. Das liegt zunächst am Raum. Die ausrangierte WC-Anlage ist kalt und unwirtlich. Aber auch etwas Postapokalyptisches schwingt mit: Die gipsernen „schlauen Telefone“ in Menschenmaß wirken wie archäologische Relikte aus dem digitalen Zeitalter. Der Besucher schlüpft in die Rolle eines Wesens, das nach dem Ende der Menschheit und ihrer zivilisatorischen Errungenschaften erforscht, was der Homo sapiens hinterlassen hat. „Sober“ nennt Koller, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Rita McBride und Hubert Kiecol studiert hat, die Ausstellung. Das englische Wort für „nüchtern“, „schlicht“. Schon äußerlich wirken die Gips-Geräte in dem sterilen Raum nüchtern. Blickt Koller aber nicht auch nüchtern auf den Smartphone-Kult unseres virtuellen Zeitalters, der irgendwann mit der menschlichen Spezies untergegangen sein wird? Im Nachbarraum hängen drei Aquarelle. Bunte oder graue Köpfe im Seitenprofil. Wie Röntgenaufnahmen. Übersät mit zellenartigen Gebilden, wie wir sie unter dem Mikroskop sehen. Durchmischt mit schwarzen Bögen, Linien oder Kreuzen, die an archaische Schriftzeichen erinnern. Im dritten Raum projiziert Koller ein animiertes GIF an die Wand: Ein schwarzer Vorhang, der über eine weiße Fläche fällt. TF

Wanda Koller: Sober, bis 18. Januar bei Reinraum, Adersstr. 30a (unterhalb des Jahnplatzes). Am 18.1., 18.30 Uhr, Finissage und Gesprächsrunde zur Frage: Wer braucht noch soziale Räume?