Düsseldorf Rüdiger Esch: Mit Fahrrad und Kassetten-Recorder im Volksgarten

Musikkenner verraten ihre Lieblingslieder für den Sommer. Heute: Rüdiger Esch, seit 1988 Bassist in der Elektronik-Band Die Krupps.

Düsseldorf: Rüdiger Esch: Mit Fahrrad und Kassetten-Recorder im Volksgarten
Foto: Markus Luigs

Düsseldorf. Sommerhits sind die Lieder, die einen sofort den Sommer riechen lassen, die einen in die luftig-lockere Stimmung der endlos langen Sommerferien zurückversetzen. In meinem Fall hat somit der Sommer immer etwas mit Jugend und dem erlebten Soundtrack zu tun.

1.The Undertones: „Here Comes The Summer“ (1979)

Feargal Sharkey proklamiert den Sommer und schafft, ein Jahr nach „Teenage Kicks“, eine weitere Adoleszenz-Hymne „Ooh baby baby, what can I do? You know you drive me crazy when I’m looking at you. The summer’s really here and it’s time to come out ... Time to discover what fun is about. Here comes the summer. etc.“ Zeit herauszufinden, was Spaß machen würde, hatten wir in allen Sommerferien genug. Damals schien in amerikanischen Filmen wie Dog Day Afternoon oder Dirty Harry der Sommer gemacht zu sein, um Zeit vertrödeln und die Hitze in ihrer reinsten Form zu erleben. Es gab kein Erlebnis vor oder hinter dem Ereignis; die Hitze lud ein wahrgenommen zu werden. Mit dem Fahrrad im Volksgarten unterwegs zu sein und „Here comes the summer“ zu gröhlen gehörte fortan zum authentischsten und direktesten Spaß, den man bekleidet haben konnte. Bis heute gehört dieser John O’Neil-Klassiker in mein Sommer-Repertoire und als ich die Band vor ein paar Wochen habe kennen lernen dürfen, erzählten sie mir, dass es ein von den Ramones inspiriertes schnelles Drei-Akkorde-Stück sein sollte, dass jedoch den Ramones-Rekord noch unterbietet: Es ist nur eine Minute und fünfundvierzig Sekunden lang.

2.OMD: „Enola Gay“ (1980)

OMD gehörte überhaupt nicht zu meinen Bands, da sie weder aus Düsseldorf kamen, noch richtigen Punk-Rock machten. In unserem entfernten Freundeskreis gab es jedoch um so überzeugtere Fans der Band, und auch die Mädchen schienen mit ihren Songs etwas anfangen zu können. Wenn ich eben vom Volksgarten und Radtouren sprach, dann durfte hierbei ‘Enola Gay’ nicht fehlen. Auf mitgebrachten Cassettenrecordern auf Batteriebetrieb wurde Andy McCluskeys einzigartige Stimme so oft gespielt, dass es auch mir am Ende wirklich gefiel. Damals glaubte ich irrtümlicherweise, eine verdeckte homoerotische Botschaft aus dem Song heraushöeren zu können; und besonders gefiel mir das simple und unwirklich erscheinende Schlagzeugpattern, das Paul Humphreys programmiert hatte.

3.Deutsch Amerikanische Freundschaft/DAF: „Sato-Sato“ (1981)

„Schwitzt, meine Kinder - Schwitzt, meine Kinder. Verbrennt euch die Hände; kämpft um die Sonne. Sato-Sato, Sato-Sato, Sato-Sato, Sato-Sato.“ So hiess es im Auftaktsong der Deutsch Amerikanischen Freundschaft auf ihrem Virgin-Debut ‘Alles Ist Gut’. Der schwülstig drückende Bass-Synthesizer schwitzt aus allen synthetischen Poren und der spanisch-stämmige fiebrige Gabriel Delgado López stöhnt diese einsilbigen Kommandos in den heißen August des Jahres 1981. Ich folgte dem Ruf zur Friedrich-Ebert-Strasse und kaufte bei „Schlembach“, einem Fachgeschäft für Fahrräder und Vinyl, also nach heutigen Maßstäben einem einmaligen Vorläufer des Trends, im Untergeschoss ein Album mit dem, wie könnnte es anders sein; schwitzenden Konterfei von Gabi von einem Stapel weg, der aufgebahrt die Platten des jungen, neuen Jahrzehnts präsentierte: QE2 von Mike Oldfield, The Turn of a Friendly Card des Alan Parsons Project und End of the Century der Ramones. Gemäß dieser einmaligen Wortschöpfung Gabi Delgados, ist für mich jeder neue heiße Sommer einfach Sato-Sato.

4.Wall of Voodoo: „Mexican Radio“ (1982)

Der Ratinger Hof und sein beliebter DJ Waldi hielt im Sommer 82 direkt zwei Hits für uns parat, die er in unermüdlicher Weise immer wieder spielte, manchmal auch direkt nacheinander. Der eine fing mit einem Presslufthammer-Rhythmus an und bezog sich in der zweiten Strophe auf Adam Ant. Der Musiker Captain Sensible war als Bassist der Damned bekannt geworden und hatte nun eher zufällig einen echten Hit am laufen. „Say Captain, say Wot“ sollte sinnfrei zum Sommer dazu gehören. Für genausoviel Stimmung sollte ein Song von Wall of Voodoo sorgen, der „Mexican Radio“ hieß und den Dreisatz von programmierten Schlagzeugbeats, amerikanischer Poesie und neuer New Wave-Attitüde meisterlich anwand. „I feel a hot wind on my shoulder, and the touch of a world that is older.“ Stan Ridgway ließ einen heißen Wind durchs mexikanische Radio auf die Edelstahltanzfläche des alten Hofs wehen.

5.Righeira: „Vamos a la playa / Laid Back - Sunshine Reggae“ (1983)

Wenn bei DAF und anderen Synthesizer-Duos wie Soft Cell oder Suicide alles noch vom Untergrund her kam und man sich wunderte, dass es nun eine breitere Öffentlichkeit für diesen Sound geben sollte; so war es hiermit nun nicht nur populär gedacht, sondern auch ironisch in der Präsentation geworden. Die italienische Combo Righeira singt ein Lied auf spanisch, in dem es um die Auswirkungen der Umweltverschmutzung des Mittelmeeres und um die Folgen eines Atomkrieges geht. Der Prototyp sommerlastiger Popmusik und ein früher Vertreter des Genres Italo Disco. „Vamos a la playa oh oh oh oh oh“.

Laid Back hingegen sind ein dänisches Popduo, dass in der kurzen Zeit der Orientierungs- und Stillosigkeit mit einem Weniger-ist-mehr-Konzept auftauchte und eine Botschaft hatte: „Gimme gimme, gimme just a little smile, we got a message for you.“ Schwer zu sagen, zu welcher Band man sich bekennen würde, also insgeheim, niemals öffentlich.