Düsseldorf Strammes Programm für die Familie

In der Weihnachtszeit sind Oper und Theater vielen Familien einen Ausflug wert. Ein solcher Besuch festige die Bande, sagt ein Sozialwissenschaftler.

Düsseldorf. Neun Plätze nebeneinander müssen es sein. Keine Kinder, nur Erwachsene. Sie wollen sich vielleicht anstupsen, wenn sie „Hänsel und Gretel“ anschauen und von sentimentalen Erinnerungen überflutet werden. In der Oper staunte man über die Reservierung der Familie, obwohl die Mitarbeiter wissen, dass um Weihnachten mit vielem zu rechnen ist. Es ist die Zeit, in der die Kassen klingeln und die Publikumsauslastung Traumquoten von teilweise 100 Prozent erreicht. Der gemeinschaftliche Besuch einer Kulturveranstaltung ist für viele Familien, egal in welcher Zusammensetzung, im Dezember eine Pflicht. „Im Winter haben die Menschen mehr Lust und Geduld, sich länger hinzusetzen. Deswegen ist unser Spielplan in dieser Zeit mit Aida und Lohengrin Geschichten-lastiger“, sagt Monika Doll, Sprecherin der Deutschen Oper am Rhein.

Gesetzt ist Hänsel und Gretel. Das Stück, das jedes Jahr gespielt wird. Seit 1969 in der Inszenierung von Andreas Mayer-Hanno. Sie wurde mehrfach überarbeitet, ist jedoch technisch längst nicht so aufwendig arrangiert wie etwa Ronja Räubertochter. Und auch nicht so fesselnd. Ein Renner ist die Oper trotzdem. „Das liegt am Zauber des Märchens“, vermutet Monika Doll. Und an Weihnachten — wenn die Nerven besonders feinfühlig gestimmt sind.

„Die Bedeutung solcher Feste darf man nicht unterschätzen“, sagt Thomas Münch, Professor für Sozial- und Kulturwissenschaften an der Hochschule Düsseldorf. „Sie stellen Sozialität her, wie in einem Dorf. Das kulturelle Beiwerk verleiht dem Ganzen eine Weihe wie früher der Besuch der Messe.“ Heute gehe man ins Konzert oder in die Kinderoper anstatt in die Kirche. Das verstärke den Festcharakter. Münch: „Egal, wie sehr man es vielleicht verabscheut, aber an Weihnachten und mit dem Besuch solcher Kulturereignisse gewinnen die Familienbande an Bedeutung, werden gefestigt oder zerschnitten. Deshalb empfindet man Einsamkeit an Weihnachten auch als so unerträglich, weil es die Familienlosigkeit so deutlich macht. Wer keine Familie, aber Freunde hat, feiert mit denen.“

In den Spielstätten stellt man sich darauf ein. „Die Zuschauer erwarten Stücke, die sich mit den Fragen des Lebens beschäftigen“, sagt Christof Seeger-Zurmühlen, Leiter des Jungen Schauspielhauses. Wir bringen mit Pinocchio die Geschichte der Menschwerdung. Es gibt auch andere Bezüge zum Weihnachtlichen, die aber interpretierbar sind.“ Überhöht werde nichts. „Bei Pinocchio knallt es bühnentechnisch nicht einmal“, sagt Seeger-Zurmühlen. „Die Verführung funktioniert über die Magie.“

Und die soll an Weihnachten hell, warm und freundlich sein. Ein bisschen so, wie wenn man einmal im Jahr reinen Herzens Schokoladeneis mit anderen teilt. Die Musik übt dabei eine entscheidende Macht aus. „Wir spielen ein luftiges Programm mit Mendelssohn und Paganini“, erklärt Uwe Sommer-Sorgente, Dramaturg der Tonhalle. „Paganini bringt Glitzerklang auf die Geige.“

Ein Höhepunkt im Adventspielplan ist das Weihnachtssingen, das Wochen im Voraus ausverkauft ist. „Man sieht selten so viele Kinder, Eltern und Großeltern bei uns.“ Familie Hulicius etwa besucht die Veranstaltung schon seit Jahren. „Es ist ein fester Bestandteil der Weihnachtszeit geworden“, sagt Martina Hulicius. „Wir gehen mit Freuden dorthin.“

Der Advent liegt ihr überhaupt sehr am Herzen: Weihnachtsmarkt, Plätzchen backen, den Adventskranz aufstellen, Karten schreiben, Schulkonzerte besuchen, seitdem die neunjährige Lea Geige spielt — und alles möglichst zu Viert. Ein strammes Programm für berufstätige Eltern. „Ja, aber ich mache mir rechtzeitig Gedanken darüber, wie wir die vier Wochen vor Weihnachten gestalten. Wir legen uns keine anderen Termine“, sagt Martina Hulicius. Sie schätze es, diese Tradition zu pflegen, weil es „etwas mit Gemeinschaft zu tun“ habe, „losgelöst von einem selbst“.