Tanzhaus: Bertram Müller - „Anfänger brauchen große Leute“

Bertram Müller hat Theologie, Philosophie und Psychologie studiert. Sein Glück aber fand er beim Tanz. Am Mittwoch wird er 65 Jahre alt.

Düsseldorf. Als der junge Mann in der Markuskirche in Eller nach vorne tritt, um mit der Predigt zu beginnen, kauft ihm kein Mensch den Pfarrvikar ab. Er schwäbelt, hat Haare, die nach allen Seiten abstehen und signalisiert: Ich werde euer Leben umkrempeln. Den braven Gemeindemitgliedern muss das wie eine Drohung vorkommen.

Bertram Müller ist damals Mitte 20. Er studiert Philosophie und Theologie und absolviert im Anschluss noch ein Psychologiestudium. Seine Eigenwilligkeit hat er sich bis heute bewahrt. Auch den schwäbischen Dialekt hat er nie abgelegt, und die mittlerweile grauen Haare frisiert er nach wie vor Richtung Himmel. Nur ein Mann der Kirche ist er nie geworden. Sein Glück fand er bei der Kunst. Morgen wird der Direktor des Tanzhaus NRW 65 Jahre alt.

„Es hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Müller über das Tanzhaus, das 1979 zunächst als Werkstatt für Tanzmusik, Gestaltung und Tanztheater an der Grafenberger Allee gegründet wurde. Müller ist seit der ersten Stunde dabei, zieht mit um in die Börnestraße. „Damals gab es nur das Ballett, eine offene Szene existierte höchstens in der Musik“, sagt er. „Uns ging es darum, dass Künstler und Laien im Umgang mit verschiedenen Medien ihre schöpferischen Fähigkeiten entdecken.“

Wenn jemand nach einem Spanienurlaub seine Freude am Flamenco entdeckt, ist das für ihn kein Grund zum Naserümpfen. „Ob Flamenco, orientalischer Tanz oder auch ganz zu Anfang Hip-Hop — wir haben uns wegen nichts geniert.“ Ganz im Gegenteil, man habe die elitäre Kunstauffassung aufbrechen und den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen entsprechen wollen.

Dies jedoch mit Niveau, darauf legt Müller größten Wert. „Unser Wahlspruch war und ist bis heute: Anfänger brauchen große Leute, um Feuer zu fangen.“ Daher stellt er vorzugsweise Pädagogen ein, die auch eine künstlerische Karriere vorweisen können.

Mit diesem Rezept hatte Müller augenscheinlich Erfolg. 3000 Teilnehmer besuchen pro Woche die Einrichtung, die seit 1998 an der Erkrather Straße im ehemaligen Rheinbahndepot residiert. Angesehene Kompagnien wie Jan Fabre und Marie Chouinard treten dort auf.

Müllers feste Überzeugung ist: „Ein Mensch kann nur leben, wenn er kreativ ist. Der eine entdeckt für sich allein etwas Neues, der ander für die ganze Welt. Da ist subjektiv kein Unterschied“, meint er, „beide sind glücklich.“

Zwei Jahre noch wird Müller die Leitung des Tanzhauses fortführen. Dann wird eine Findungskommission einen Nachfolger suchen. Nach mehr als 30 Jahren, sagt Müller, könne er dann ganz gut loslassen. „Nur den Erweiterungsbau“, sagt er. „Den sähe ich gern verwirklicht.“