Tanz: „Ich möchte an meine Grenzen gehen“

Martin Schläpfer über schlechte Kritiken, gute Werke und Stücke, die noch nicht reif sind.

Düsseldorf. Die Romantik hat eine Spielzeit lang im Mittelpunkt des Schaffens von Martin Schläpfer gestanden. Nach dem erfolgreichen „Forellenquintett“ von Franz Schubert, das Kompagnien in Paris und Amsterdam in ihr Repertoire aufnehmen wollen, hatte der 2010 zu Europas Choreographen des Jahres gekürte Ballettdirektor der Rheinoper jedoch mit den letzten beiden Uraufführungen wenig Glück. „Robert Schumann Tänze“ und „Unleashing the Wolf“ fanden bei der Kritik ein eher mäßiges Echo. Gegenüber den Jubel-Arien, die während seiner ersten Spielzeit in Düsseldorf formuliert wurden, muss dies ernüchternd wirken.

Schläpfer nimmt dazu — wie auch zu den positiven Besprechungen — eine professionelle Distanz ein, die eine offensive Auseinandersetzung und ein ebenso offenes Gespräch ermöglicht.

Herr Schläpfer, haben Sie sich über die schlechten Kritiken geärgert?

Martin Schläpfer: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man liest sie und befasst sich mit ihnen, oder man ignoriert sie. Mats Ek zum Beispiel schaut sich keine Besprechung seiner Werke an. Für mich hingegen sind die Kritiker ein wichtiges Gegenüber. Es gab zudem auch positive Kritiken — und „Wolf“ kommt, wie ich es wahrnehme, beim Publikum gut an, der Schumannabend war praktisch jedes Mal ausverkauft.

Sie haben sich in dieser Spielzeit die Romantik vorgenommen. Liegt Ihnen das Pathos nicht?

Schläpfer: Ich hätte das Pathos zu einem großen Teil aus den beiden Choreographien herausschneiden können. Aber dann macht man es sich sehr einfach. Manchmal ist ein Stück einfach noch nicht reif.

. . . oder vier Uraufführungen ein zu großes Vorhaben.

Schläpfer: Ich muss die Masse korrigieren. Aber ich brauche auch Stücke, wo ich mich vertue.

Als weitere Herausforderung?

Schläpfer: Ich habe schon viele Stücke gemacht und meine Laufbahn hat ja nicht hier in Düsseldorf begonnen. Für mich ist der Prozess wichtig. Ich möchte mich an meine Grenzen bringen — und kann nicht immer in der Kontrolle verharren.

Was lief bei Schumann schief?

Schläpfer: Die „Rheinische“ ist ein gutes Stück, in dem viel Steiniges steckt, das ich allerdings nicht gleich erkannt habe. Als es entstand, war ich nicht ganz bei Kräften. Das bemerkten auch die Tänzer. Hinzu kommt, dass die Zeit für die Proben knapp war.

Als Zuschauer fremdelt man mit den sentimentalen Sequenzen und den Kostümen.

Schläpfer: Ich wollte mich einmal öffnen. Und es ist doch klar, dass jemand wie ich, der Farben hasst und dann für „Wolf“ Rot auswählt, sich zum Abschuss freigibt.

Bessern Sie Ihre Choreographien nach?

Schläpfer: Nein, ich ändere nicht viel. Über manche Stücke geht man hinweg. Es ist wie der Gang über eine Treppe.

Das klingt optimistisch.

Schläpfer: Natürlich. Es ist erst meine zweite Spielzeit hier in Düsseldorf, und für mich ist es okay, auch wenn es nun einmal nicht so gut gelaufen ist. Wer weiß schon, was ein Stück ans Funktionieren bringt? Ich jedenfalls habe große Freude an den Tänzern, an der Kompagnie, die besser und besser wird.