Herr Liminski, Sie treffen in Washington Republikaner wie Demokraten. Sind Ihnen Republikaner aus Tradition Ihrer Partei noch näher – oder ist das Geschichte?
Interview Liminski: Trump könnte Hilfen für Ukraine einstellen
Düsseldorf · NRW-Europaminister Nathanael Liminski, zugleich Chef der Staatskanzlei, reist in die USA. Mit klaren Vorstellungen zur US-Wahl und zur künftigen Rolle Europas.
NRW-Europaminister Nathanael Liminski (CDU) reist am Dienstag zum Abschluss des NRW-USA-Jahres nach Washington – zwei Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen. Vor der Reise sprachen wir mit Liminski.
Nathanel Liminski: Die republikanische Partei vergangener Zeiten hatte mit der deutschen Christdemokratie traditionell große inhaltliche Überschneidungen – beim Bild vom selbstbestimmten Menschen, von einer freien Gesellschaft, von einem zurückhaltenden Staat und einer regelbasierten internationalen Ordnung. Einige Tage vor dem Tag der Deutschen Einheit soll daran erinnert sein, dass es zwei republikanische Präsidenten waren, Ronald Reagan und sein Nachfolger George H. W. Bush, die ganz entscheidend zur friedlichen Wiedervereinigung unseres Landes beigetragen haben. Heute gibt es aber nur noch vereinzelte Figuren in der republikanischen Partei, die in der Tradition von Reagan und Bush stehen. Sie mussten längst den Taktstock an Donald Trump und seine populistische Bewegung abgeben. Spätestens mit der Nominierung von Trump und Vance ist die altehrwürdige Grand Old Party zu Grabe getragen worden: Die Republikanische Partei früherer Prägung – der Welt zugewandt und der Aufrechterhaltung des freien Handels sowie dem Schutz gleichgesinnter Demokratien verpflichtet – existiert nicht mehr.
Welchen Umgang muss Deutschland finden zwei Monate vor der Wahl? Eine Abkehr von Trump oder das Gegenteil, um für Ungemach „diplomatisch“ gerüstet zu sein?
Liminski: Dass wir zu beiden Lagern Kontakte pflegen und auch mit der nächsten Administration im Gespräch sein müssen, entspricht nicht nur diplomatischen Gepflogenheiten, sondern unserem ureigenen Interesse. Die USA bleiben eine Supermacht und unser wichtigster außereuropäischer Partner. Doch es ist naiv zu glauben, man könne sich durch Gespräche allein den guten Willen der nächsten US-Administration sichern. Vor allem bei einer Trump-Administration wäre es kaum berechenbar, wer tatsächlich Einfluss auf den Präsidenten nehmen könnte.
Und bei Harris?
Liminski: Es ist klar, dass Harris einen partnerschaftlicheren Blick auf Europa und die Nato hat als Trump. Allerdings werden beide sehr entschieden amerikanische Interessen vertreten. Wir sind deshalb gut beraten, uns die Programmatik beider Kandidaten genau anzuschauen und nüchtern die strukturellen Faktoren im Blick zu haben. Dazu gehört, dass Harris und Trump sich beide mit Blick auf die Spaltung im eigenen Land einem innenpolitischen Imperativ werden beugen müssen. Sofern sie sich darüber hinaus intensiver mit Außenpolitik beschäftigen können, werden die Prioritäten eindeutig in Ostasien liegen, wo sich die Rivalität mit China zuspitzt. Deshalb sollten wir uns viel mehr mit uns selbst und der Frage beschäftigen, wie wir angesichts eines geringeren Engagements der USA in Europa handlungsfähig bleiben – und damit auch relevant als Partner für jede US-Administration.
Sie reisen zum Abschluss des NRW-USA-Jahres in die Staaten. Welche Auswirkungen hatten die letzten beiden Präsidentschaften für das Verhältnis, auch die wirtschaftliche Partnerschaft von den USA mit NRW?
Liminski: Die USA sind der wichtigste außereuropäische Absatzmarkt für NRW. Auch die mehr als 1700 US-Unternehmen in unserem Land zeigen, wie eng unsere wirtschaftlichen Verbindungen weiterhin sind - trotz der Subventionen der Biden-Administration und der damals von Donald Trump verhängten Zölle. In Handels- und Wirtschaftsfragen waren alle letzten US-Regierungen für uns herausfordernd. Wir müssen uns darauf einstellen, dass uns auch die künftige US-Regierung eine Menge abverlangen wird: Harris könnte die Subventionspolitik fortsetzen, Trump droht mit neuen Zöllen.
Was muss daraus folgen?
Liminski: Wir sollten selber in der EU bessere Rahmenbedingungen für die Transformation und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft schaffen. Dazu zählen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Ziel der schwarz-grünen Landesregierung ist es, dass NRW ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt – auch für US-Unternehmen. Das Potenzial dafür hat die Milliarden-Investition von Microsoft im Rheinischen Revier eindrucksvoll bewiesen. Daran arbeiten wir weiter. Als Region machen wir uns nicht davon abhängig, wer künftig im Weißen Haus sitzt. Denn auch auf subnationaler Ebene pflegen wir enge Verbindungen zu US-Bundesstaaten. Die über 100 Veranstaltungen im Rahmen des NRW-USA-Jahres zeigen die Kraft dieser Verbindung.
Sie nehmen auch an dem CEPA-Forum zum Thema „The future of Ukraine is now“ teil. Wie droht sich die US-Haltung in einer kommenden Legislatur zu verändern?
Liminski: Bei der Unterstützung der Ukraine sind die Unterschiede zwischen Harris und Trump immens. Trump verweigert ausdrücklich die Aussage, dass er einen Sieg der Ukraine will. Es ist nicht auszuschließen, dass er die Hilfen aus den USA komplett einstellt. Das hätte verheerende Folgen für die Verhandlungsposition der Ukraine und für die Sicherheitslage in Europa insgesamt. Doch auch hier gilt: Nicht wie das Kaninchen auf die Schlange gucken, sondern selber handlungsfähig werden. Europa muss unter Beweis stellen, dass es ernsthaft bereit ist, für seine eigene Sicherheit, die nach meiner Überzeugung in der Ukraine auf dem Spiel steht, die Verantwortung zu übernehmen.
Wie sähe das konkret aus?
Liminski: Das setzt höhere Verteidigungsausgaben voraus, aber vor allem auch eine bessere europäische Koordinierung bei der Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen. Die Vorschläge dazu liegen alle auf dem Tisch, die Bundesregierung unter Olaf Scholz muss nur endlich den politischen Willen aufbringen, sie anzutreiben und umzusetzen.
Braucht es mehr Waffen für die Ukraine oder ist es Zeit für eine ernsthafte Friedensinitiative?
Liminski: Entscheidend bleibt, dass die Kosten der Fortführung dieses Kriegs für Putin – politisch und wirtschaftlich – in die Höhe getrieben werden, dass er sich aus eigenem Interesse heraus ernsthaft an Friedensverhandlungen beteiligen muss, deren Konditionen die Ukraine definiert. Dafür muss in erster Linie die Ukraine in die Lage versetzt werden, die russischen Streitkräfte zurückzudrängen. Waffenlieferungen sind dafür nach wie vor notwendig. Putin muss nachdrücklich vermittelt bekommen, dass die Europäer auch ohne die Amerikaner willens sind, die Ukraine zu unterstützen. Deshalb muss die Priorität für uns aktuell darin liegen, europäische Handlungsfähigkeit, insbesondere im verteidigungspolitischen Bereich, sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass wir in Europa 270 Milliarden in Rüstung und Verteidigung investieren, aber sechs Mal so viele unterschiedliche Waffensysteme wie die USA unterhalten und dann nicht in der Lage sind, mit militärischen Herausforderungen vor unserer Haustür selbst klar zu kommen.