Lindenberg — ein Page kehrt zurück

Vor seinen Stadionkonzerten rockt Udo seine erste Arbeitsstelle — ein Luxushotel in Düsseldorf.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Zurück nach 52 Jahren. Panikrocker Udo Lindenberg zelebriert seine Zeitreise. In Pagenjacke präsentiert er sich den Journalisten an seiner ersten Arbeitsstätte — dem feinen Hotel Breidenbacher Hof an der Düsseldorfer Königsallee.

Foto: Judith Michaelis

1962 war er aus seinem Heimatort Gronau — „an der Donau“, wie er hinzufügt — nach Düsseldorf getrampt. Fünf Uhr morgens war Dienstantritt, das Monatsgehalt lag bei 20 Mark. „Und wenn ich am Tag fünf Mark Trinkgeld kriegte, war das geil“. Heute kann er es sich leisten, in der Angestelltenkantine eine Zigarre zu rauchen. Und sich einen Schluck Eierlikör zu genehmigen — „für die goldene Kugel im Hals und ein lupenreines Stimmchen.“ Mit dem er a capella ein Liedchen auf seine erste Wirkungsstätte trällert — auf die „Präsidentensuite, wo’s nicht zieht“.

Udo Lindenberg: Der Hotelpage an alter Wirkungsstätte
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Udo Lindenberg: Der Hotelpage an alter Wirkungsstätte

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Lindenberg erklärt seine „Nachtigallenstimme“: Die sei nicht verbildet durch Gesangsunterricht, sondern naturgegeben, nuschelt er in seiner oft parodierten Art. „Ich habe nichts gelernt, nur eine Baumschule besucht und Straßenwissenschaften studiert“, kokettiert der 68-Jährige, der in jüngster Zeit ein kaum noch erwartetes Comeback hinlegte.

Wenn er bei seinem Pressetermin um 14 Uhr „guten Morgen“ sagt, muss das nicht falsch sein. Langes Ausschlafen ist für ihn wichtig. „Man muss immer lecker aussehen, das Auge hört ja mit“, ist seine Devise.

Der wohl schrägste Vogel der deutschen Popwelt klopft sich selbst auf die Schulter: „Früher habe ich hier Aschenbecher geputzt, heute putzen wir den Olymp.“ Er meint die beiden ersten Stadionkonzerte seiner Karriere, die er am Samstag und Sonntag mit seinem Panikorchester in der Düsseldorfer Arena geben wird.

Die Bühne hat er bereits inspiziert. „Ein großer Abenteuerspielplatz“, schwärmt er und freut sich auf „Zehntausende Experten mit gutem Geschmack“. Zwei große Partys sollen es werden — mit vielen Überraschungen, verspricht er. So werde auch Jazzlegende Klaus Doldinger ein Liedchen mitspielen. Doldinger — der Mann, der die Tatort-Melodie gemacht hat. Auf der Konserve ist übrigens allsonntäglich auch Lindenberg zu hören — als Trommler.

Wie er es denn angestellt habe, zu der Figur eines „kenianischen Dauerläufers“ zu kommen, fragt eine Journalistin. Tatsächlich hat der Mann mit den grünen Socken in den offenen Stiefeletten spindeldürre Beine. Als er in seinen 50er Jahren gewichtsmäßig zugelegt hatte, so erklärt er, da habe er sich vorgenommen: „Du darfst nicht als Rock’n Roll Mops enden.“ Also: Spiegelei, Spinat, wenig Kohlenhydrate und Sport: Laufen, Schwimmen, Rudern. Seine Joggingrunden absolviert er nachts — „eine Gestalt im Dunkeln“.

Nein, er wolle nicht nur Entertainer sein, sondern auch Weltverbesserer, sagt er und die schnodderige Stimme wird für einen Moment ernst. Nach seinen beiden Konzerten in Düsseldorf wird er Pfingstmontag auf der Gedenkveranstaltung zum zehnten Jahrestag des NSU-Anschlags in der Kölner Keupstraße auftreten. Zeichen setzen gegen Rechts.

Plötzlich strömt eine Gruppe Jugendlicher in den Konferenzraum des feinen Hotels. Gekleidet wie kleine Lindenbergs. „Lindianer“ nennt er sie. Und dann singt der Chor mit seinem schrägen Vorturner dessen Hymne „Ich mach mein Ding“. Was er dem Nachwuchs als Motto mit auf den Weg gebe, wird der Mann gefragt, der die deutsche Sprache in der Rockmusik populär machte. Da muss er nicht lange nachdenken: „Die Spinner von heute sind die Macher von morgen.“ Sie sollten nicht in der Masse marschieren. Sein Rat: „Lindividualität“.