Patrick Schuhmann beim Cirque du Soleil: Von Marzahn in die Manege
Durch Zufall geriet Patrick Schuhmann einst an einen Berliner Kinderzirkus. Heute ist der 22-Jährige der einzige Deutsche beim Cirque du Soleil und gastiert in Düsseldorf.
Düsseldorf. Wie so oft hätte es auch ganz anders kommen können. Patrick Schuhmann hätte niemals das kleine Zelt des Kinderzirkus Springling in Berlin-Marzahn betreten können. Er hätte seinem Freund, der ihn dorthin mitnehmen wollte, damals absagen können. Weiter mit Kumpels in seinem Kiez Hellersdorf auf der Straße rumhängen.
Nach dem Hauptschulabschluss irgendeine Lehre machen. Aber er ging damals mit seinem Freund zum Zirkus. „Und ich bin nie wieder weggegangen.“ Heute ist der 22-jährige Artist der einzige Deutsche im berühmten Ensemble des Cirque du Soleil. Derzeit fliegt er Abend für Abend durch das große Zelt an der Hohenzollernallee.
Patrick Schuhmann hat großes Glück gehabt. Aber er hat auch immer gewusst, was er will — und es durchgesetzt. So war es, als er mit vier Jahren zum Kunstturnen ging. Und als er es wieder an den Nagel hängte, weil es ihm zu militärisch war.
Bei Springling, dem Zirkus, der Berliner Vorortkinder von der Straße holen will, fand er endlich seine Erfüllung. Er weiß noch, wie er seinen Eltern sagte, er wolle Artist werden. „Die haben gesagt: ,Jaja, mach mal!’“ Und er machte. Mit einem Video bewarb er sich bei einer renommierten Zirkusschule in Kanada — und wurde genommen.
Mit 16 konnte er anfangen, seinen großen Traum zu leben. „Und ich bin erstmal voll vor die Wand gelaufen“, erzählt der Artist. Mit Ach und Krach hatte er in Berlin die zehnte Klasse zu Ende gebracht — jetzt sollte er Anatomie auf Französisch studieren. Im ersten Jahr fiel er glatt durch — und wollte aufgeben.
Aber immerhin zahlte seine Mutter, die in Berlin als Stationsschwester arbeitet, mit viel Mühe die rund 12 000 Euro pro Jahr für Ausbildung und Gastfamilie. Patrick riss sich zusammen. Im zweiten Jahr wiederholte er die verhauenen Tests aus dem ersten und bestand die neuen Prüfungen noch dazu. Da war man beim Cirque du Soleil längst auf den Deutschen aufmerksam geworden.
Jetzt reist Patrick Schuhmann mit dem Programm „Corteo“ durch die Welt. Zwei Nummern zeigt er bisher: Das große Cyr Wheel, in dem er rasant durch die Manege kreiselt, und die Wippe, auf der sein Partner und er sich gegenseitig in Höhen von bis zu sechs Metern katapultieren. Eine weitere Luftakrobatik-Nummer studiert er gerade ein, weil ein Kollege verletzt ist.
Jeden Tag Training, acht bis zehn Shows in der Woche. Wenn er nach seiner Adresse gefragt wird, antwortet Patrick: „Bin unterwegs.“ Aber der 22-Jährige würde es nicht anders haben wollen. Er ist da angekommen, wo so ziemlich jeder Artist der Welt hin will. Kann seiner Mama auch mal was spendieren. „Uns geht es heute richtig gut.“
Und das Ganze hat sogar Perspektive: Seine Freundin, die er vor sechs Jahren im Zirkus Springling in Marzahn kennen gelernt hat, ist mit ihm auf Tour, arbeitet im Service. Kinder wären auch kein Problem; der Cirque du Soleil hat seine eigene mobile Schule. Aber Patrick hat noch einen ganz anderen, großen Traum: Irgendwann will er seine eigene Zirkusshow inszenieren.
Einstweilen residiert er im Hilton, sagt über Düsseldorf das, was jeder freundliche Berliner sagt („Es ist so schön kompakt“) und freut sich auf ein paar lange Nächte mit seinen Kollegen hier — es darf sich also nicht wundern, wer in den kommenden Wochen auf Düsseldorfs Tanzflächen besonders beweglichen Partygästen begegnet.
Und dann kommen wieder diese wenigen Tage, wenn das Zelt in Düsseldorf Mitte November abgebaut wird, um nach Berlin transportiert zu werden. Diese Tage, in denen Patrick nicht das allerkleinste bisschen Sport macht. Nichts. Das ist Luxus in einem Artisten-Leben.