Politik in Düsseldorf Ex-OB Geisel tritt für neue Wagenknecht-Partei an

Update | Düsseldorf · Der frühere SPD-Oberbürgermeister hat seine Gründe in einem Schreiben an die Sozialdemokraten dargelegt. Von dort kommt Kritik.

Der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD).

Der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD).

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der frühere Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) will sich für die geplante neue Partei von Sahra Wagenknecht engagieren. Am kommenden Montag nimmt er an einem Termin vor der Bundespressekonferenz in Berlin teil unter dem Titel: „Gründung der Partei ‚Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit’ und Vorschlag der Europa-Spitzenkandidaturen“. In einem Schreiben an die SPD in Düsseldorf erklärte er am Donnerstag, dass er die Liste gemeinsam mit Fabio de Masi anführen werde. Auf Medienanfrage wollte sich Geisel darüber hinaus nicht vor dem anstehenden Termin in Berlin äußern.

In dem Schreiben führt der frühere Oberbürgermeister zunächst aus, dass ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen sei. Erst vor knapp einem Monat war er in seinem Ortsverband für die 40-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt worden: „Ich habe damals gesagt, dass sich jeder darauf verlassen könne, dass ich mein Leben lang Sozialdemokrat bleiben würde“. Allerdings seien Sozialdemokraten in der Tradition von Willy Brandt und Helmut Schmidt „in der heutigen SPD heimatlos geworden“.

Zuletzt war immer wieder deutlich geworden, dass Geisel weiter starke politische Ambitionen hat. So hatte er sich erneut für eine Oberbürgermeister-Kandidatur in Düsseldorf ins Spiel gebracht, was allerdings auf wenig fruchtbaren Boden in der SPD fiel.

Aus Sicht der Düsseldorfer SPD-Chefin Zanda Martens ist die Kandidatur Geisels für die Wagenknecht-Partei nicht vereinbar mit einem Verbleib in der SPD. Bis Donnerstagnachmittag sei aber keine Austrittserklärung eingegangen. Falls das ausbleibe und sich Geisel für die Wagenknecht-Partei engagiere, müsse ein Parteiausschlussverfahren auf den Weg gebracht werden.

Den Schritt Geisels zur Wagenknecht-Partei sieht Martens kritisch: „Schade, dass man so seine politische Leistung und Biografie zunichtemacht und sich ins Abseits stellt.“ Denn Geisel habe als Oberbürgermeister „viel Gutes geleistet“. Nun sei es „schade um einen Genossen“. Andererseits habe sie den Eindruck, dass sich Geisels Ansichten auch verändert hätten, insofern finde er jetzt vielleicht zu einer Partei, die zu ihm passt.

Martens attestiert Wagenknecht eine brandgefährliche Rhetorik

Martens erinnert etwa an Positionen Geisels zum Krieg in der Ukraine wie etwa in einem wieder gelöschten Blogbeitrag: „410 Zivilisten sind – nach ukrainischen Angaben – den Gräueltaten von Butscha zum Opfer gefallen. Selbstverständlich ist jedes zivile Opfer eines Krieges eine Tragödie und eines zu viel. Aber werden durch die ukrainische Genozid-Rhetorik nicht letztlich die Kriegsverbrechen von Srebrenica, My Lai und Babiyar (Babyn Jar), um nur einige zu nennen, und vielleicht auch die Bombennacht von Dresden, der angeblich 30 000 Menschen zum Opfer fielen, bagatellisiert?“ Martens attestiert auch Wagenknecht „eine brandgefährliche Rhetorik“, es sei unerträglich, wie soziale Fragen mit Themen der Migration vermischt würden.

Geisel wiederum ist in seinem Schreiben voll des Lobes über Wagenkecht, mit der er sich in den vergangenen Wochen wiederholt getroffen habe. Eine politische Verwandtschaft klingt auch in den inhaltlichen Aussagen durch. Geisel kritisiert erneut Waffenlieferungen an die Ukraine, was den Krieg „befeuern“ würde. Zudem lehne er den Kurs der SPD-geführten Bundesregierung mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab.

„Ideologisch getriebene Realitätsverweigerung“ unterstellt Geisel der SPD in dem scharf formulierten Schreiben bei der Asyl- und Einwanderungspolitik. Er fordert den Abschied vom individuellen Grundrecht auf Asyl. Das Einwanderungsrecht solle sich stattdessen am tatsächlichen Fachkräftebedarf orientieren. Zudem spricht er von „kostspieligem bürokratischen Dilettantismus“ und vom „Niedergang unseres öffentlichen Bildungswesens“. Deutschland sei ein „Sanierungsfall“ geworden, über den Nachbarn mitleidig den Kopf schütteln würden.

In der Düsseldorfer SPD werden diese Aussagen kritisch gesehen, aber nicht mehr als wirklich überraschend wahrgenommen. Die Co-Vorsitzende der Fraktion, Sabrina Proschmann, sieht es ähnlich wie Martens: „Das passt zu seiner Entwicklung.“ Mit Blick auf die noch kürzlich geäußerte Treue zur Sozialdemokratie spricht Markus Raub als zweiter Co-Vorsitzender dennoch von einer „steilen Kurve“, die Geisel jetzt hinter sich habe.

Bei den anderen Parteien löst Geisels Vorstoß ebenfalls keine echte Überraschung aus. „Seine politische Haltung ist näher bei Wagenknecht als bei der SPD“, sagt CDU-Kreisvorsitzender Thomas Jarzombek. Die SPD müsse sich fragen, wen sie damals für das Oberbürgermeister-Amt nominiert habe: „Sein Verhalten zeugt absolut nicht von Loyalität.“ Düsseldorfs FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte auf Anfrage: „Der abgewählte Oberbürgermeister scheint seinen Kompass endgültig verloren zu haben.“