Protestkunst: Stricken gegen Atomkraft
Menschen wie Daniela verbreiten Gestricktes an markanten Orten, um ihre politische Meinung unters Volk zu bringen.
Düsseldorf. Nachts schlägt sie zu. Wenn es stockdunkel ist und die Straßen leer sind, steigt Daniela (Name von der Redaktion geändert) mit Wollmütze und Sonnenbrille aus dem Auto und geht an die Arbeit. Sie hat in Düsseldorf eine Mitmach-Strick-Guerilla gegründet. Solche Gruppen gibt es auf der ganzen Welt. Die Teilnehmer haben es sich zur Aufgabe gemacht, öffentliche Räume zu verschönern, indem sie Ampelmaste oder Bäume mit bunter Wolle einstricken. In Düsseldorf sind die Wollbanner gelb und politisch. Vier „Stricker“ sind in der Landeshauptstadt aktiv.
Daniela nennt ihre Aktion „Fluffy on tour“ (deutsch: flauschig auf Reisen) und kämpft damit gegen Atomkraft. Sie agiert nur unter ihrem Künstlernamen „Strick“ und will in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden. Aufsehen hat die örtliche Strick-Guerilla vor allem durch das Einstricken der Uhren im Volkspark erregt. „Das war ein Gemeinschaftsprojekt, aber dadurch war ich schon häufiger in den Medien vertreten. Danach gab es einige böse Mails“, erklärt sie ihre „Tarnung“. Juristische Bedenken habe ihr ein Anwalt genommen: „Es ist nicht so ganz legal, was wir machen, obwohl es keine Sachbeschädigung ist.“
Jeden Abend sitzt die Studentin zu Hause auf der Couch und strickt die Banner. „Man glaubt gar nicht, wie schwer es ist, an gelbe Wolle zu kommen“, erklärt sie. Davon würde einfach so wenig angeboten und wenn, dann ziemlich teuer. „Ich habe auch schon Schurwolle im Internet bestellt und habe sie mit Seidenmalfarbe auf dem Balkon selbst gefärbt“, sagt die junge Frau.
Überall in der gemütlichen WG liegt Wolle herum, die sie immer wieder vor den beiden Katzen in Sicherheit bringen muss. Auf den ersten Blick wirkt Daniela wie eine ganz normale Studentin. Erst wenn sie beginnt, von ihren nächtlichen Aktionen zu erzählen, erkennt man, wie ernst sie den Kampf gegen Atomkraft nimmt. „Ich war immer wieder auf Demonstrationen und bin für einen kontrollierten, aber schnellen Ausstieg“, sagt sie.
Sie wundere sich, dass vor ihr noch niemand auf die Idee gekommen sei, für eine politische Aussage zu stricken: „Meine Banner verschönern und sagen etwas aus.“
Daniela studiert in Köln Textilgestaltung und hat dort das erste Mal von den Strickaktionen gehört. Damit konnte sie ihr Engagement gegen Atomkraft verbinden. „Ich bin aber nicht festgelegt, wenn jemand eine gute Idee hat, würde ich auch für etwas anderes stricken“, erklärt sie.
Die Orte für ihre Aktion sucht sie danach aus, wie viele Leute daran vorbeigehen. Ob die Skulptur „Die Streitenden“ an der Mittelstraße in der Altstadt oder an den Uhren im Volksgarten, überall versucht sie ihre Wollbanner anzubringen. „An den Uhren hingen die Banner einen Monat, das ist schon sehr lang“, erklärt Daniela. Wenn die Sachen, wie in der Altstadt, sehr schnell entfernt werden, ärgert sie sich. „Es steckt einfach so viel Arbeit darin“, sagt sie.
Über eine Facebook-Seite können Menschen aus aller Welt ihrer Mitmach-Strick-Guerilla beitreten und in ihrem Land oder Urlaubsort gestrickte Anti-Atom-Banner aufhängen. Dokumentiert wird das mit Fotos. Aufhören will Daniela so bald nicht: „Es gibt immer etwas, wofür man stricken kann.“