„Männlichkeitsinszenierung“ Haben mit dem Fest meist nichts zu tun - LKA analysiert Hochzeits-Korsos in NRW

Düsseldorf · Gefühlt kam das Phänomen aus dem Nichts - und hält die Polizei in NRW seit dem Frühling auf Trab: Eskalierende Hochzeits-Korsos, Schüsse, Autobahnblockaden. Das Landeskriminalamt hat die Einsätze jetzt analysiert. Mit überraschenden Erkenntnissen.

Seit dem 1. April 2019 ist die Polizei in NRW nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) 266 Mal zu Einsätzen mit dem Anlass „Hochzeit“ ausgerückt. Mehr als hundert Anzeigen seien geschrieben worden, in 816 Fällen habe die Polizei Personalien aufgenommen. Thomas Jungbluth, Abteilungsleiter im LKA, hat das Phänomen in einem Bericht für den Landtag jetzt analysiert. Sein Verdacht: Eskalierende Hochzeits-Korsos haben im Zweifel gar nichts mit dem Fest zu tun - sondern könnten zum Beispiel „eine übersteigerte Männlichkeitsinszenierung“ sein.

In der zehnseitigen Stellungnahme für den Innenausschuss nennt Jungbluth aktuelle Zahlen: Demnach seien bei den 266 Einsätzen zwischen 1. April und 19. August Duisburg mit 36 Fällen, Köln mit 33 Fällen und Essen mit 22 Fällen „besonders von dem Phänomen betroffen“ gewesen. Seit dem 20. Juli - also dem Start der Sommerferien - habe es nur noch sieben Einsätze gegeben. „Bevorzugter Wochentag“ sei insgesamt der Samstag mit 54,9 Prozent. Auslöser der Einsätze in 109 Fällen seien Autokorsos gewesen. 60 Mal wurden von Zeugen „Schussabgaben“ gemeldet, sechs mal kam es zu einer „Vollsperrung/Stauprovokation“, heißt es in dem Bericht.

Jungbluth betont, dass es eskalierende Hochzeits-Korsos auch in anderen Bundesländern gibt - und die Teilnehmer „sich nicht nur auf bestimmte Ethnien beziehen“. So habe man auch Anzeigen beim Hochzeitskorso des deutschen Präsidenten eines Rockerclubs in Hagen gefertigt. Bei der Hochzeits-Blockade auf der A3 bei Ratingen im März, die sogar Razzien nach sich zog, habe nur einer von elf Tatverdächtigen die türkische Staatsangehörigkeit gehabt.

Für den Leitenden Kriminaldirektor „lässt sich nicht eindeutig belegen, ob die Gründe zu überzogenen Freudenausbrüchen nur in dem eigentlichen Anlass der Hochzeit liegen oder andere Motive handlungsbestimmend sind“. So könnte es sich auch um eine „übersteigerte Männlichkeitsinszenierung“, das „Bekunden von Patriotismus“, oder auch „das Demonstrieren von Macht und Einfluss im öffentlichen Raum“ handeln.

Verstärkt werden könnte dies noch durch das Internet. Über Soziale Medien verbreitete Bilder einer Straßenblockade wirkten wie „ein Beweis der Einzigartigkeit und des Selbstbewusstseins der Blockierer“, schreibt Jungbluth. Er warnt: „Dies kann Nachahmungs- oder Steigerungseffekte auslösen.“

Die Polizei fahre eine Null Toleranz-Strategie, um auch „die Spirale einer Steigerung aufsehenerregender, rechtlich nicht zulässiger Aktionen im Keim zu ersticken“, so der LKA-Mann. Beruhigend für viele Hochzeitspaare: „Das Fahren im Konvoi ohne Überschreiten von Verkehrsregeln oder das gelegentliche Hupen als Ausdruck überschwänglicher Freude“ lösen laut Jungbluth „in der Regel keine polizeilichen Maßnahmen aus“.

(dpa)