Alleinerziehend Alleinerziehend in Düsseldorf: „Das Gefühl, auf allen Ebenen zu versagen, ist kaum auszuhalten“

Düsseldorf · Von 56 953 Familienhaushalten in Düsseldorf sind 23,9 Prozent (13 600) Alleinerziehenden-Haushalte. Mit der WZ hat eine Düsseldorfer Mutter über das einschneidende Erlebnis ihrer Trennung vom Ehemann, die erste Zeit als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und die Probleme bei Job- und Wohnungssuche gesprochen.

Zum emotionalen Schmerz, dass eine Beziehung gescheitert ist, kommen bei Alleinerziehenden Existenzängste hinzu. So auch bei der zweifachen Mutter, die der WZ ihre Geschichte erzählte.

Foto: dpa/Matthias Hiekel

Für Selbstmitleid hat sie keine Zeit. Für Tränen auch nicht. Die seien auch aus, sagt sie und lächelt schwach. Die flossen an so vielen Abenden „und am nächsten Morgen musste doch alles weitergehen“. Den Kindern zuliebe müsse sie funktionieren. „Und gleichzeitig merke ich jeden Tag, dass ich selbst einem Sechsjährigen nichts vormachen kann.“

Die 40-Jährige (einige Daten wurden auf Wunsch anonymisiert) wurde vergangenes Jahr von ihrem Ehemann verlassen. Gekriselt hatte es zuvor, der Auszug traf die zweifache Mutter dennoch völlig überraschend. Plötzlich war sie allein, mit zwei kleinen Kindern. Ohne Job, denn den hatte sie vor der Geburt ihres Sechsjährigen aufgegeben, ihre Karriere der Kinder und des Familienlebens zuliebe auf Eis gelegt. Zu dem emotionalen Schmerz, vom langjährigen Lebensbegleiter für eine andere Frau verlassen worden zu sein, kam die Existenzangst: „Wie soll ich das alles allein stemmen? Und wie komme ich finanziell über die Runden?“

Geplant ist der Schritt zur
Ein-Eltern-Familie selten

Mit diesen Fragen ist sie nicht allein. Von 56 953 Familienhaushalten in Düsseldorf sind 23,9 Prozent (13 600) Alleinerziehenden-Haushalte, darunter 2,2 Prozent (1268) mit Vätern, 21,7 Prozent (12 332) mit Müttern. Nach den Ehepaaren stellen die Alleinerziehenden die zweitgrößte Gruppe der Familienhaushalte. Die Gründe für diese Familienform sind sehr unterschiedlich, geplant ist der Schritt zur Ein-Eltern-Familie aber in den wenigsten Fällen. „Nie hätte ich gedacht, dass ich irgendwann mal zu dem Kreis der Alleinerziehenden gehöre“, sagt die Düsseldorferin. Sich plötzlich mit Fragen nach Unterhaltszahlungen und Wohngeld auseinanderzusetzen zu müssen, widerstrebte ihr zunächst. Als aber die ersten Briefe des Anwalts im Briefkasten landeten, erwachte sie, suchte sich einen Job. „Allein mit dem Kindesunterhalt und dem Kindergeld kommt man nicht über die Runden“, sagt sie.

Dabei kann sich die 40-Jährige sogar glücklich schätzen, überhaupt Unterhaltszahlungen zu erhalten. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge bekommt etwa die Hälfte aller Alleinerziehenden keinen Unterhalt, obwohl sie darauf Anspruch hätte. Denn Unterhaltsleistungen sind nicht freiwillig. Die Verpflichtung zur Zahlung ist in Gesetzen, etwa dem Einkommenssteuergesetz und dem Sozialgesetzbuch, festgeschrieben: Weil eine Berufstätigkeit mit Kindern schwerer zu vereinbaren ist, muss der Besserverdienende einen Ausgleich zahlen, so die Regel. Die Höhe des Unterhalts gibt die Düsseldorfer Tabelle je nach dem Nettoeinkommen des zur Zahlung verpflichteten Elternteils vor. Für säumige Elternteile springt häufig der Staat ein und streckt die Unterhaltszahlungen vor.

5000 Alleinerziehende in Düsseldorf beziehen Hartz IV

Den Behörden gelingt es aber nicht immer, sich das Geld von den Elternteilen zurückzuholen. Nach Angaben des Familienministeriums gelingt dies in NRW nur in einem Fünftel der Fälle. Und zwar weil die zur Zahlung Verpflichteten, meist die Väter, selbst in finanziellen Schwierigkeiten stecken, ihre Einnahmen verschleiern oder nicht auffindbar sind.

Die Jobsuche gestaltete sich für die alleinerziehende, zweifache Mutter schwierig. Chancen auf eine Arbeit, die ihrer Ausbildung gerecht wird, rechnete sie sich ohnehin nicht aus. „Es ging allein darum, Geld zu verdienen und einen Job zu finden, der mit den Betreuungszeiten der Kinder zu vereinbaren ist“, sagt sie. Und so nahm sie einen Job als Sekretärin an.

Wie schwierig es für Alleinerziehende ist, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, verdeutlichen auch die Zahlen der Agentur für Arbeit:  In Düsseldorf beziehen zurzeit rund 5000 Alleinerziehende Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, und knapp 200 Arbeitslosengeld I. „Alleinerziehende sehen sich im Job nicht mehr in der Lage, die Flexibilität an den Tag zu legen, die vor der Geburt der Kinder selbstverständlich war“, sagt Silke Uellendahl, Sprecherin der Agentur für Arbeit. „Längere Reisen sind nicht mehr möglich, die Arbeitsstelle sollte in der Regel nicht zu weit entfernt sein und Überstunden können nur in Ausnahmefällen geleistet werden. Auch wenn es Betreuungsmöglichkeiten gibt, die über die normalen Zeiten hinaus gehen, kann den Kindern auch nicht alles zugemutet werden. Die Jobsuche und Karriereaussichten schränken sich durch diese Rahmenbedingungen oftmals deutlich ein.“

Anfang des Jahres dann der nächste Schock: Die dreijährige Tochter wurde wegen Schmerzen ins Krankenhaus eingeliefert. Mehrere Wochen versuchten die Ärzte herauszufinden, was dem Kind fehlt. Die Mutter blieb am Krankenbett, versuchte ihre ebenfalls kranke Mutter einzuspannen, damit sie wenigstens einige Stunden in der Woche bei der Arbeit erscheinen konnte. „Wochen später erfuhr ich dann, dass meine Tochter an einer  äußerst seltenen Krankheit leidet, die eine einjährige Chemotherapie und weitere medikamentöse Behandlung erfordert“, sagt die 40-Jährige.

Wegen der vielen Ausfälle macht der Chef nun Druck

Mittlerweile kann die Tochter sogar wieder die Kita besuchen, die Mutter geht in der Zeit arbeiten. „Mein Chef hat mir klar gemacht, dass ich mir keine weiteren Fehlzeiten erlauben kann“, sagt sie. Dass die Tochter aber besonders anfällig für Infekte ist, setzt sie enorm unter Druck. Auf den Vater der Kinder zählen, könne sie nicht. Man kommuniziere hauptsächlich über die Anwälte. Gleichzeitig ging sie auf Wohnungssuche, weil die derzeitige Bleibe finanziell nicht mehr zu stemmen ist. Von 15 Wohnungen, die sie sich angesehen hat, hat sie 14 Absagen erhalten. „Das Grundeinkommen ist zu gering, wird immer wieder gesagt.“ Nun hat sie doch eine Wohnung in Aussicht.

Der Sechsjährige ist in psychologischer Behandlung, ihn plagen Verlustängste, er zieht sich immer mehr zurück, hat Wutausbrüche. Auch das Mädchen schläft wegen der Medikamente schlecht. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt die Mutter. Das Gefühl, auf allen Ebenen zu versagen, sei kaum auszuhalten. Psychologische Hilfe, ja, die bräuchte sie, gibt sie zu. Auf einen Termin zu warten, dafür habe sie aber keine Zeit.