Soziales: Gleiche Chancen für alle?
Auf dem Familienkongress geht es am Freitag um Bildungsförderung und Kinderarmut.
Düsseldorf. Hat ein Kind aus Oberbilk die gleichen Bildungschancen wie ein Kind aus Oberkassel? "Nein, hat es definitiv nicht", sagt der Politikwissenschaftler Volker Eichener und begründet seine Meinung mit einem höheren Migranten-Anteil in Schulen in sozial schwächeren Vierteln.
"Ein hoher Anteil von Schülern, die nicht gut Deutsch sprechen, macht den Unterricht für alle schlechter", sagt Eichener.
In Oberbilk war 2007 jeder dritte Schüler ausländischer Herkunft, in Oberkassel nur jeder 13.. Auch was Fördervereine oder Elternengagement anginge, hätten Schulen in reichen Vierteln eindeutig Vorteile.
"Das ist eine Form der sozialen Ausgrenzung", sagt Eichener. Oft würden Firmen die Bewerber bei der späteren Berufswahl schon nach der Adresse der Schule aussieben.
Mit der Frage, wie man allen Kindern die gleichen Bildungs- und Entwicklungschancen bieten kann, beschäftigt sich der Düsseldorfer Familienkongress Freitag. "Wir versuchen, allen die gleichen Chancen zu geben", sagt Schul- und Sozialdezernent Burkhard Hintzsche.
41000 Euro erhält jede Grundschul-Ganztagsgruppe von der Stadt. Hinzu kommen Beratung in den 80 Familienzentren für Eltern und Kinder, Einzelgespräche mit Schülern zu Berufswahl und Weiterentwicklung sowie subventioniertes Mittagessen an Ganztagsschulen oder die Lehrmittelbefreiung für Kinder aus Hartz IV-Familien.
Außerdem finanziert die Stadt Schulsozialarbeit an Grundschulen in sozialen Brennpunkten sowie allen Haupt-, Förder- und Realschulen. "Wir haben in Düsseldorf ein außerschulisches Bildungsangebot von 205000 Stunden jährlich", sagt Hintzsche und muss trotz aller Anstrengungen doch eingestehen, dass jedes noch so gute Angebot nur wirkt, wenn es auch angenommen wird. "Man kann eben nicht alle Einflüsse ausschließen."
Der Soziologe Reinhold Knopp setzt bei der Schülerzusammensetzung an: "Wenn Schulkinder in einer Umgebung mit viel Arbeitslosigkeit unter sich sind, finden sie in der direkten Umgebung keine Vorbilder mehr und eine Armutsspirale setzt sich in Gang."
Knopp plädiert dafür, dass die Schülerschaft schon in der Grundschule möglichst stark sozial gemischt ist. Aber das ist leichter gesagt als getan: "Eltern wollen, dass ihre Kinder mit sozial Gleichgestellten zur Schule gehen." Und in Düsseldorf bestimmt nicht der Schulbezirk die Auswahl, sondern die Eltern bestimmen.
Damit Kinder aus sozial schwachen Familien nicht schon mit einem Handicap im Tornister in ihre Bildungskarriere starten, erwägt Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Bildungsgutscheine für Kinder aus Hartz IV-Familien. Hintzsche hält das für wenig förderlich.
"Einem bestehenden System einen riesigen Bürokratie-Aufwand aufzusetzen, halte ich für wenig sinnvoll", sagt er. Der Bund solle lieber das Budget der Schulen erhöhen, damit diese ihr Angebot verbessern können. "Schließlich werden alle Kinder spätestens im schulpflichtigen Alter von diesem Fördersystem erfasst", sagt Hintzsche.