Stiefbruder erstochen: Linda K. ist nicht schuldfähig
23-Jährige wird in Psychiatrie behandelt — sie schweigt zu den Vorwürfen.
Düsseldorf. Der Fall des getöteten Werstener Jungen hat Fassungslosigkeit weit über Düsseldorfs Grenzen ausgelöst. Wie sehr muss man jemanden hassen, um ihm morgens im Park aufzulauern und ihm die Kehle durchzuschneiden?
Doch einen Tag nach der Bluttat deutet jetzt alles darauf hin, dass hinter dem Verbrechen weniger Hass steckt, als vielmehr die sehr traurige Geschichte einer kranken jungen Frau. Ein Gutachter entschied am Freitagnachmittag: Linda K. ist wegen einer schweren seelischen Störung nicht schuldfähig.
Wie die WZ berichtete, wurde Richard S. (17) am Donnerstagmorgen stark blutend von einer Passantin auf dem kleinen Fußweg gefunden. Er verblutete noch vor Ort. Die Großfahndung der Polizei hatte zwar keinen Erfolg; wie Volker Elsner, Leiter der Mordkommission „Park“, am Freitag mitteilte, gaben mehrere Zeugen aber Hinweise auf eine junge Frau „mit wirrem Blick“ und Blut an der Kleidung, die sich vom Tatort entfernt hatte.
Parallel zu der Fahndung machte die Mordkommission Richards Familie ausfindig, die in der Nähe des Parks lebt. Die Mutter des Jungen und ihr Lebensgefährte hätten „gefasst, schockiert“ reagiert — und sofort festgestellt, dass die Tochter des Mannes, Linda K. (23), auf die die Beschreibung der Zeugen passte, aus unerfindlichen Gründen nicht zu Hause war. Elsner: „Der Verdacht kam vonseiten der Familie.“
Eine Aussage, die tief blicken lässt. „Es gab Spannungen — definitiv“, berichtet der Ermittler. Allerdings lebten die vier als Patchwork-Familie bereits seit sechs Jahren zusammen, es gab keinen aktuellen Streit oder einen ähnlichen denkbaren Auslöser für den Gewaltausbruch — der 17-Jährige erlitt neben der Wunde am Hals auch Stiche in Brust und Rücken, wurde möglicherweise sogar von hinten attackiert.
Dieser Auslöser liegt wohl eher in der Psyche der 23-Jährigen. Auf den ersten Blick eine hübsche, kluge junge Frau, Studentin der Mathematik und Theologie. Doch vor rund zehn Jahren verlor sie auf tragische Weise ihre Mutter, durchlitt eine depressive Phase, hat seither eine schwere Essstörung. Dazu passt, dass sie auf die Zeugen nach der Tat verwirrt wirkte. Und dass Linda K. am Donnerstag offenbar von Wersten aus zu Fuß bis nach Langenfeld ging, wo sie am späten Abend festgenommen wurde.
Offenbar hatte sie bei einem Bekannten Zuflucht suchen wollen. Doch Nachbarn erkannten sie aufgrund der Medienberichte und riefen die Polizei. Die 23-Jährige flüchtete in ein Waldstück und versteckte sich. Doch die massiven Polizeikräfte hatten sie rasch gefunden. Ihre Kleidung voller Blut, ein Küchenmesser wenige Meter entfernt.
Seither schweigt Linda K. — eine Anklage droht ihr ohnehin wohl nicht: Da sie laut Gutachter schuldunfähig ist, wird sie jetzt in einer psychiatrischen Einrichtung behandelt. Staatsanwalt Matthias Ridder spricht von einer „krankhaften seelischen Störung“, weitere Details will er nicht nennen.